Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss einer Berücksichtigung von nach Eintritt des Versicherungsfalles zurückgelegter Versicherungszeiten bei einer Erwerbsminderungsrente

 

Orientierungssatz

1. Nach § 63 SGB 6 richtet sich die Höhe der Rente vor allem nach der Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen.

2. Grundsätzlich werden bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für Beitrags- und Anrechnungszeiten, welche nach Eintritt der hierfür maßgebenden Minderung der Erwerbsfähigkeit liegen, Entgeltpunkte nicht ermittelt, es sei denn, die Voraussetzungen von § 75 Abs. 2 und 3 SGB 6 liegen vor.

3. Maßgeblich ist der Eintritt des versicherten Risikos, d. h. die das Rentenstammrecht auslösende Aufhebung oder Einschränkung des Leistungsvermögens im Erwerbsleben i. S. von § 43 Abs. 2 SGB 6. Nach dem Versicherungsfallprinzip des § 75 Abs. 2 S. 1 SGB 6 ist nach Verwirklichung des versicherten Risikos eine nachträgliche Versicherung nicht mehr möglich. Infolgedessen kann die Höhe des Leistungsanspruchs grundsätzlich nicht mehr durch Beitragszahlungen nach Eintritt des Versicherungsfalls beeinflusst werden. Bei den Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit sind nur die bis zum Eintritt des versicherten Risikos zurückgelegten Pflichtbeitragszeiten zu berücksichtigen, vgl. BSG, Urteil vom 24. Oktober 1996 - 4 RA 31/96.

4. Dies gilt uneingeschränkt auch angesichts der Regelung, dass mit jedem neuen Beginn einer Zeitrente ein neuer Leistungsfall entsteht. Dieser gebietet zwar, den konkreten Leistungsanspruch bei jedem erneuten Rentenbeginn nach den in jenem Zeitpunkt geltenden Vorschriften neu zu berechnen. Dies ändert aber nichts daran, dass Pflichtbeitragszeiten, welche zeitlich nach Eintritt des versicherten Risikos zurückgelegt worden sind, nach § 75 Abs. 2 S. 1 SGB 6 nicht berücksichtigt werden können.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 14. April 2010 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitgegenstand Die Klägerin begehrt, zum Teil im Wege der Neufeststellung, die Gewährung einer höheren Rente wegen Erwerbsminderung.

Vorgeschichte Die am XXX 1954 geborene, seit spätestens Mai 2002 voll erwerbsgeminderte Klägerin war nach Abschluss ihrer Berufsausbildung zur Bankkauffrau vom 1. Juli 1974 bis 31. Oktober 2002, wahrscheinlich auch darüber hinaus mit zeitweiligen Unterbrechungen durch Zeiten der Arbeitslosigkeit und Krankheit in ihrem erlernten Beruf sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Auf ihren Antrag vom 6. Mai 2002 wurde ihr mit bindend gewordenem Bescheid der Beklagten vom 29. November 2002 wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit mit einem Leistungsbeginn am 1. Dezember 2002 und einem Wegfall der Leistung am 31. Dezember 2003 gewährt. Mit Bescheiden vom 7. November 2003 und vom 31. Juli 2006, gegen die keine Rechtsmittel eingelegt wurden, sowie mit Bescheid vom 29. Oktober 2008 wurde die Rente wegen Erwerbsminderung antragsgemäß über den 31. Dezember 2003 hinaus zunächst auf Zeit bis 31. Dezember 2006, über diesen Tag hinaus bis 31. Dezember 2008 und schließlich über diesen Tag hinaus auf unbestimmte Dauer, längstens bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze am 30. April 2020, gewährt. Die Rente wurde mehrfach neu berechnet und festgestellt; teilweise kam es wegen einzelner Berechnungselemente zu Widerspruchs- und Klageverfahren, die inzwischen sämtlich erledigt sind.

Verwaltungsverfahren Gegen den Bescheid vom 29. Oktober 2008 legte die Klägerin über den von ihr seinerzeit bevollmächtigten Sozialverband Deutschland e.V. Widerspruch ein und beanstandete, dass bei der Berechnung der Rente ab Januar 2003 die Zeit vom 1. Mai 2002 bis 31. Dezember 2002, in der sie gearbeitet habe, nicht berücksichtigt worden sei. Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 3. Dezember 2008 darauf hingewiesen hatte, dass sie den Widerspruch für unzulässig und einen Neufeststellungsantrag für nicht aussichtsreich halte, bat der Sozialverband mit Schreiben vom 9. Dezember 2008, den Widerspruch als Überprüfungsantrag gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) anzusehen, der sich auf die dem Bescheid vom 31. Juli 2006 zugrunde liegende Berechnung beziehen solle. Die ursprünglich befristete Rente habe im Dezember 2006 geendet und könne nach einer dem Antrag beigefügten Information aus dem Internet, da sie vor dem 31. März 2007 geendet habe, neu berechnet werden. Danach müsse die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Hinweis auf dessen Urteil vom 24. Oktober 1996 - 4 RA 31/96 und auf dessen Beschluss vom 2. Mai 2005 - B 4 RA 212/04 B) beachtet werden, nach der bei der nahtlosen Weitergewährung einer Rente auf Zeit ein neuer Leistungsfall mit der Folge eintrete, dass die Rente unter Zugrundelegung der im Zeitpunkt der Weitergewährung geltenden Berechnungsvorschriften neu zu berechnen sei. Die Beklagte stellte, dem Überprüfu...

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