Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Anfrageverfahren. kein Vorrang vor dem Verfahren zur Feststellung der Versicherungs- und Beitragspflicht durch die Einzugsstelle

 

Leitsatz (amtlich)

Das Anfrageverfahren (§ 7a Abs 1 SGB 4) begründet keinen derartigen Vorrang vor dem Verfahren zur Feststellung der Versicherungs- und Beitragspflicht durch die Einzugsstelle (§ 28h Abs 2 SGB 4), dass die Einzugsstelle nicht über einen bei ihr gestellten Antrag auf Feststellung der Versicherungspflicht entscheiden und diesen an die Deutsche Rentenversicherung Bund weiterleiten müsste.

 

Tenor

Auf die Berufung der Kläger und der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. Oktober 2007 aufgehoben.

Die Sache wird an das Sozialgericht zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des Sozialgerichts vorbehalten.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin zu 1 während der Tätigkeit bei dem Kläger zu 2 sozialversicherungspflichtig war.

Die 1961 geborene Klägerin zu 1 ist die Ehefrau des Inhabers des Klägers zu 2. Sie ist seit 1. April 2002 bei dem Kläger zu 2, der ein Unternehmen der Edelmetall- und Feinblechverarbeitung betreibt, als Bürokraft tätig.

Die Kläger beantragten am 31. Oktober 2005 bei der Beklagten die Überprüfung der Sozialversicherungspflicht der Klägerin zu 1 und die Rückerstattung von Sozialversicherungsbeiträgen. Nach Prüfung der vorgelegten Unterlagen stellte die Beklagte mit Bescheid vom 10. März 2006 und Widerspruchsbescheid vom 30. Mai 2006 fest, dass die Klägerin zu 1 im Rahmen der seit 1. April 2002 ausgeübten Tätigkeit in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehe, das der Versicherungspflicht zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliege.

Die Kläger haben hiergegen Klage bei dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Der von dem Kammervorsitzenden in einem richterlichen Hinweis geäußerten Ansicht, die Zuständigkeit der Beklagten zur Entscheidung über den Antrag der Kläger sei fraglich, vielmehr bestehe eine Zuständigkeit der Beigeladenen zu 2 gem. § 7a Abs. 1 Satz 1 und 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV), sind die Beklagte und die Beigeladene zu 2 entgegengetreten.

Mit Urteil vom 30. Oktober 2007 hat das SG den Bescheid vom 10. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Mai 2006 aufgehoben, die Klage im Übrigen abgewiesen und die Beklagte zur Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Kläger verurteilt. Die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig, da nicht die Beklagte, sondern nach § 7a Abs. 1 Satz 1 und 3 SGB IV die Beigeladene zu 2 für die Feststellung einer Beschäftigung zuständig sei. Die Vorschrift regle abweichend von § 28h Abs. 2 SGB IV die Zuständigkeit der Beigeladenen zu 2, auch wenn der Antrag nicht bei ihr gestellt sei. Dies entspreche auch § 16 Abs. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I), wonach die bei einem unzuständigen Leistungsträger gestellten Anträge unverzüglich an den zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten seien. Es liege auch keine ungeschriebene Zulässigkeitsvoraussetzung dahingehend vor, dass die Beigeladenen zu 2 allein in objektiven Zweifelsfällen zu entscheiden habe. § 7a SGB IV lasse sich auch nicht entnehmen, dass das Anfrageverfahren nur zu Beginn einer Beschäftigung eröffnet sei. Ein Auftragsverhältnis gem. § 88 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch zwischen der Beklagten und der Beigeladene zu 2 lasse sich aus den von der Beklagten vorgelegten Besprechungsergebnissen der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger nicht ableiten. An einer Feststellung der Rechtsqualität der Tätigkeit der Klägerin zu 1 sei das Gericht durch das Entscheidungsmonopol der Beigeladenen zu 2 gehindert, woran auch eine entsprechende Anwendung von § 75 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nichts ändere.

Die Beklagte hat gegen das Urteil am 22. November 2007 Berufung eingelegt und vorgetragen, sie sei sehr wohl befugt, über die Sozialversicherungspflicht der Klägerin zu 1 zu entscheiden. Ein Verfahren nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV liege nicht vor.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. Oktober 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen,

hilfsweise den Rechtsstreit gem. § 159 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz an das Sozialgericht zurückzuverweisen,

höchsthilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie haben darüber hinaus gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 7. November 2007 zugestellte Urteil am 7. Dezember 2007 ebenfalls Berufung eingelegt und verweisen zu Begründung auf ihr Vorbringen vor dem Sozialgericht.

Die Kläger beantragen,

für den Fall, dass der Berufung der Beklagten stattgegeben wird, das erstinstanzliche Urteil insoweit aufzuheben, als die Klage im Übrigen abgewiesen wurde.

Die Beklagte hat sich zur Berufung der Kläger nicht geäußert.

Die übrigen Beteiligten haben sich zur Sache nicht geäußert.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

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