Entscheidungsstichwort (Thema)

gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit. Karpaltunnelsyndrom. keine Krankheit iS von BKV Anl Nr 2106. Quasiberufskrankheit. gruppentypische Risikoerhöhung. neue Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft. Entscheidungsprozess beim ärztlicher Sachverständigenbeirat. Sperrwirkung. Montierer

 

Orientierungssatz

Zur Nichtanerkennung eines Karpaltunnelsyndroms eines Montierers als Berufskrankheit gem BKV Anl 1 Nr 2106 noch als Quasi-Berufskrankheit gem § 9 Abs 2 SGB 7 mangels Vorliegens des Tatbestandsmerkmals der gruppentypischen Risikoerhöhung.

 

Tatbestand

Streitig ist die Anerkennung eines Karpaltunnelsyndroms (KTS) als Berufskrankheit (BK).

Der am ... in der ehemaligen Sowjetunion geborene Kläger arbeitet seit Dezember 1990 bei der ... in ... Von April 1997 bis Februar 1999 war er als Montierer eingesetzt und damit beschäftigt, den vorderen Radlauf von Fahrzeugen auszukleiden, die Schweller zu verkleiden und den Knieschutz anzubringen. Die Arbeitsgänge, die in Gruppenarbeit durchgeführt wurde, wechselten regelmäßig alle zwei Stunden. Bei der Knieschutzmontage musste er zur besseren Anpassung zwei bis dreimal mit dem Handballen von unten gegen die zu montierende Abdeckung schlagen.

Am 25.09.1998 suchte der Kläger wegen Schmerzen und Kraftlosigkeit im Bereich der rechten Hand den Facharzt für Chirurgie Dr. Ste auf. Dieser stellte eine deutliche Atrophie des lateralen Daumenballens mit Einsenkung der Muskulatur fest und diagnostizierte eine Druckläsion des rechten Daumenballens. Im Dezember 1998 überwies Dr. Ste den Kläger zur Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. Str, die nach einer ambulanten Untersuchung des Klägers am 16.12.1998 ein schwerstes KTS rechts feststellte. Am 18.12.1998 wurde das KTS operativ behandelt (Spaltung des Karpalbandes). Arbeitsunfähigkeit bestand vom 15.12.1998 bis 05.02.1999 sowie vom 08.03. bis 13.09.1999. Anschließend wurde der Kläger bei seinem bisherigen Arbeitgeber an einem anderen Arbeitsplatz eingesetzt.

Die Krankenkasse des Klägers zeigte im März 1999 bei der Beklagten eine BK an. Im Rahmen des daraufhin eingeleiteten Feststellungsverfahrens holte die Beklagte auch ein neurologisches Fachgutachten bei Dr. O, Chefarzt der Neurologie I der Klinik ..., ein. Dieser kam in seinem Gutachten vom 28.10.1999 zu dem Ergebnis, dass beim Kläger ein KTS rechts mit postoperativ persistierenden überwiegend motorischen und weniger sensiblen Defiziten vorliegt, welches mit Wahrscheinlichkeit durch die Berufsausübung verursacht worden sei und derzeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H. rechtfertige. Zu diesem Gutachten holte die Beklagte eine weitere Stellungnahme von Prof. Dr. D vom Institut für Arbeits-Sozial- und Umweltmedizin der ... Universität ... ein. Auch Prof. Dr. D hielt einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit des Klägers und dem KTS rechts für wahrscheinlich und vertrat die Ansicht, dass das Krankheitsbild unter die Nr 2106 (Druckschädigung der Nerven) der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) zu subsumieren ist. Mit Bescheid vom 27.07.2000 und Widerspruchsbescheid vom 07.11.2001 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Erkrankung als BK dennoch ab. Da das beim Kläger vorliegende KTS nicht als BK in der Anlage zur BKV aufgeführt sei, scheide eine Anerkennung nach § 9 Abs. 1 SGB VII aus. Bei dem KTS handele es sich insbesondere nicht um eine BK nach der Nr 2106 der Anlage zur BKV. Auch eine Anerkennung der Erkrankung wie eine BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII könne nicht erfolgen. Neue medizinische Erkenntnisse zur Anerkennung eines KTS als BK lägen nicht vor.

Am 07.12.2001 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Zur Begründung der Klage hat er u.a. vorgetragen, der von der Beklagten beauftragte Sachverständige habe festgestellt, dass durch berufliche Einwirkungen eine Druckschädigung des Nervus medianus verursacht worden sei. Damit liege eine BK nach der Nr. 2106 der Anlage zur BKV vor. Die in der Wissenschaftlichen Begründung für die Berufskrankheit "Druckschädigung der Nerven" des Ärztlichen Sachverständigenbeirats enthaltene Auffassung, dass das KTS nicht Gegenstand dieser BK sei, binde das Gericht nicht. Es handele sich um eine durch kein Argument belegte Behauptung. Das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung hat auf eine Anfrage des SG mit Schreiben vom 12.11.2002 mitgeteilt, der beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung gebildete Ärztliche Sachverständigenbeirat, Sektion Berufskrankheiten, sei seit längerem mit der Fragestellung befasst, ob das KTS in die Anlage zur BKV aufgenommen werden soll. Die Beratungen seien noch nicht abgeschlossen. Mit Urteil vom 13.03.2003, den Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 29.04.2003, hat das SG die Klage abgewiesen.

Am 28.05.2003 hat der Kläger Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, bei dem KTS handele es sich um eine Druckschädigung der Nerven, die der BK nach der Nr. 2106 ...

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