Die Bezeichnung Long-COVID umfasst aktuell ein breites Spektrum körperlicher und psychischer Beeinträchtigungen in der Folge einer akuten COVID-19-Infektion. Das Beschwerdebild einer akuten SARS-CoV-2-Infektion ist sehr vielschichtig und reicht von leichteren Beschwerden, wie trockenem Husten, über das akute Atemnotsyndrom (ARDS) bis hin zu potenziell tödlichen Komplikationen in zahlreichen Organen.[1] Ein einheitliches Krankheitsbild lässt sich bis dato nicht genau eingrenzen. Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie hat 2021 die AWMF-S1-Leitlinie Long/Post-COVID initiiert. In einem breiten interdisziplinären Ansatz wurde diese S1-Leitlinie basierend auf dem aktuellen Wissensstand gestaltet. COVID-19 (ICD U07.1) ist heute als Multiorgankrankheit mit einem breiten Spektrum von Manifestationen anerkannt. Um ein Long-/Post-COVID-Syndrom zu diagnostizieren, kann eine der folgenden 3 Kategorien gemäß S1-Leitlinie herangezogen werden:

  1. Symptome, die nach der akuten COVID-19-Erkrankung oder deren Behandlung fortbestehen,
  2. neue Symptome, die nach dem Ende der akuten Phase auftreten, aber als Folge der SARS-CoV-2-Infektionen verstanden werden können,
  3. Verschlechterung einer vorbestehenden Erkrankung infolge einer SARS-CoV-2-Infektion.[2]

Beeinträchtigungen, die über 4 Wochen bis maximal 12 Wochen nach einer Infektion andauern, werden nach aktueller Definition der Weltgesundheitsorganisation als Long-COVID bezeichnet. Länger anhaltende Beeinträchtigungen, die sich nicht durch andere Diagnosen erklären lassen, werden als Post-COVID-Syndrom definiert (s. Abb. 1).

Abb. 1: Überblick über COVID-19-Nomenklatur[3]

Die häufigsten Symptome von Long-/Post-COVID sind:

  • Fatigue (subjektive Erschöpfung auf somatischer, kognitiver und/oder psychischer Ebene, die ohne vorangegangene verhältnismäßige Anstrengung auftritt und nicht durch Schlaf und Ausruhen zu beheben ist),
  • Leistungs-/Aktivitätseinschränkungen,
  • Müdigkeit,
  • Kurzatmigkeit,
  • Muskel- und Gelenkschmerzen,
  • Geruchs- und Geschmacksbeeinträchtigungen,
  • allgemeine Schmerzen,
  • Schlafstörungen,
  • depressive Verstimmungen oder
  • kognitive Einschränkungen.

Abb. 2: Einteilung der Symptomhäufigkeit von Long-/Post-COVID (ohne Anspruch auf Vollständigkeit)[4]

Gemein haben die meisten Betroffenen des Long-/Post-COVID-Syndroms, dass Symptome oder Beschwerden bestehen, die behandlungswürdige Einschränkungen der Alltagsfunktionen und Lebensqualität bewirken und einen negativen Einfluss auf Sozial- und/oder Arbeitsleben haben.[5]

Letzteres unterstreicht die Relevanz von Long- und Post-COVID-Erkrankungen in der Arbeitswelt und die Bedeutung für Unternehmen. Während eine akute COVID-19-Infektion mit durchschnittlich 9,5 krankheitsbedingten beruflichen Ausfalltagen verbunden war, sind es bei Beschäftigten mit einer anschließenden Long-COVID- oder Post-COVID-Symptomatik fast 7 Wochen (WIdO, 2022). Somit wird im Durchschnitt jeder Beschäftigte, der von einer Long-/Post-COVID-Symptomatik betroffen ist, zu einem BEM-Fall. Die Symptome des Post-COVID-Syndroms und deren Häufigkeit variiert in Studien je nach untersuchter Patientenpopulation, Selektionsprozess der Patienten und den verwendeten diagnostischen Instrumenten (Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V., 2022). Im Niedrigprävalenzbereich zeigen sich bei 13,3 % von testpositiven Studienteilnehmern aus Dänemark Symptome länger als 28 Tage, bei 4,5 % nach mehr als 8 Wochen und bei 2,3 % länger als 12 Wochen.[6] Allerdings suchen nur etwa 6 % der Menschen nach akuter SARS-CoV-2-Infektion eine hausärztliche oder fachärztliche Betreuung auf.[7] Einen weiteren Einfluss auf die Prävalenz von Long-COVID hat laut Robert-Koch-Institut der Schweregrad einer COVID-19-Infektion. So wird die Prävalenz für Long-COVID-Symptome 3 Monate nach einer symptomatischen SARS-CoV-2-Infektion mit intensivmedizinischer Behandlung auf 43,1 % geschätzt, bei Hospitalisierten ohne intensivmedizinische Behandlung auf 27,5 % und bei Nicht-Hospitalisierten auf 5,7 %.[8] Grundsätzlich zeigen sich große Unterschiede bezüglich der Prävalenz von Long-/Post-COVID auch hinsichtlich der verschiedenen Virusvarianten. So waren in der seit Frühjahr 2022 durch die Omikron-Variante geprägten Krankheitswelle nur 2,1 % der Beschäftigten wegen Long-COVID oder Post-COVID krankgeschrieben, während es beim Vorherrschen der Delta-Variante noch 6,3 % waren (WIdO, 2022). Auch Daten aus Großbritannien zeigen auf, dass die Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung eines Long-/Post-COVID-Syndroms nach Infektion mit der Omikron-Variante nur etwa halb so hoch ist wie nach der Infektion mit der Delta-Variante.[9]

Trotz des geringeren Risikos für eine mögliche anschließende Long-COVID- bzw. Post-COVID-Symptomatik waren aber auch in der Omikron-Welle Mitarbeiter noch schwer beeinträchtigt und fehlten durchschnittlich mehr als 5 Wochen am Arbeitsplatz (WIdO, 2022). Über den gesamten Pandemiezeitraum hinweg zeigte sich eine höhere Betroffenheit unter älteren und unter weiblichen Erwerbstätigen. So wa...

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