Betriebliches Eingliederungsmanagement in Zeiten von Corona

Die Wiedereingliederung von langzeiterkrankten Mitarbeitenden in den Betrieb verlangt je nach Krankheitsbild und persönlichen Voraussetzungen des Beschäftigten individuelle und teilweise auch ungewöhnliche Lösungen. Das gilt in besonderem Maße für Beschäftigte, die an Corona erkrankt waren.

Seit 2004 sind Arbeitgeber nach § 84 Abs. 2 SGB IX verpflichtet, allen Mitarbeitenden, die im Laufe eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind, ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anzubieten. Mehr zu den rechtlichen Pflichten des Arbeitgebers lesen Sie in diesem Kapitel.

Ziel ist, den Arbeitsplatz des erkrankten Beschäftigten zu erhalten, indem er oder sie bei der Überwindung der Arbeitsunfähigkeit unterstützt wird und einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt wird. Dazu ist individuell mit dem betroffenen Beschäftigten und eventuell weiteren Vertrauenspersonen wie dem Betriebsrat, dem Arbeitsschutzverantwortliche oder dem Werksarzt zu klären, wie und mit welcher Arbeitsbelastung die Arbeitsfähigkeit wiederhergestellt und erhalten werden kann.

Betriebliches Eingliederungsmanagement nach Covid-Erkrankung

Obwohl sich die Pflicht, an Corona erkrankten Beschäftigten bei einer Krankheit von mehr als sechs Wochen ein BEM anzubieten, bereits aus dem SGB IX ergibt, ist sie in der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel nochmals ausdrücklich erwähnt.

Doch auch unabhängig von der Krankheitsdauer gelten nach Nr. 5.5 der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel besondere Verpflichtungen des Arbeitgebers gegenüber Covid-Erkrankten: "Beschäftigte, die nach einer Covid-19-Erkrankung zurück an den Arbeitsplatz kommen, haben aufgrund eines möglicherweise schweren Krankheitsverlaufs einen besonderen Unterstützungsbedarf zur Bewältigung von arbeitsbedingten physischen und psychischen Belastungen."

So müssen die Erkrankten vor Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit informiert werden, welche Schutzmaßnahmen aufgrund der Coronapandemie im Betrieb beziehungsweise der Einrichtung getroffen wurden. Die Beschäftigten wiederum müssen dem Arbeitgeber keine Diagnose oder Krankheitssymptome offenbaren. In der Praxis wird sich aber die Kenntnis des Arbeitgebers von der Covid-19-Erkrankung aufgrund der Quarantäneveranlassung des Gesundheitsamtes nicht vermeiden lassen. Arbeitgeber müssen in diesen Fällen die Identität der Betroffenen soweit es geht schützen, um einer Stigmatisierung vorzubeugen.

BEM bei Long Covid

In Deutschland gibt es aktuell über eine halbe Million Menschen, die an den Langzeitfolgen einer Corona-Erkrankung leiden, die meisten im berufstätigen Alter. Typische Symptome von "Long Covid" sind Müdigkeit, Kurzatmigkeit, aber auch psychische Auffälligkeiten. Für das BEM stellt der noch unerforschte und sehr individuell verlaufende Krankheitsverlauf eine besondere Herausforderung dar, da es keine standardisierten Behandlungsprogramme gibt. Dazu kommt, dass die Krankheitsverläufe "disruptiv" sind. Das bedeutet, die Genesung schreitet häufig nicht kontinuierlich fort, vielmehr wechseln sich "gute", also nahezu beschwerdefreie Tage oder Wochen, mit weniger guten Zeiten ab, in denen die Mitarbeitenden stark belastet sind.

Dieser Krankheitsverlauf passt damit nicht in die streng klassischen Modelle des Eingliederungsmanagements wie beispielweise die stufenweise Wiedereingliederung nach dem sogenannten Hamburger Modell, bei dem die volle Arbeitskraft kontinuierlich steigernd wiederhergestellt wird. Beim BEM aufgrund von Long Covid ist dementsprechend eine besondere Vernetzung von Betriebsmedizin, ambulanter und stationärer Medizin sowie Reha-Einrichtungen nötig, die auch auf die häufig damit einhergehenden psychischen Probleme eingehen können.

Lesen Sie dazu auch unseren Beitrag: "Long Covid: Wie Arbeitgeber dem Erschöpfungssyndrom begegnen können".