Betriebliches Eingliederungsmanagement nach Burn-out

Die Gründe für ein Burn-out liegen häufig nicht nur bei den Betroffenen, sondern auch in der Organisation. Das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) kann hier eine wichtige Stütze für die Betroffenen sein und, eingebettet in ein umfassendes betriebliches Gesundheitsmanagement, die Weichen für eine nachhaltig gesunde Unternehmenskultur stellen.

Dass Mitarbeitende oder Führungskräfte mit der Diagnose Burn-out für lange Zeit ausfallen, ist längst keine Seltenheit mehr. Immer mehr Menschen sind von einem Burn-out betroffen. Nach Angaben der AOK hat sich die Diagnose innerhalb eines Jahrzehnts beinahe verdoppelt. Einige Branchen sind  besonders stark betroffen: Führungskräfte im Verkauf und in der Altenpflege gehören neben Dialogmarketing-Berufen zu den Burn-out-anfälligsten Berufsgruppen. Die Doppelbelastung während des Corona-Lockdowns mit Homeoffice und Homeschooling hat zudem insbesondere berufstätige Frauen mit schulpflichtigen Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen zu einer Risikogruppe für Burn-out gemacht.

Burn-out: BEM sorgt für langfristige Arbeitsplatzsicherung

Seit 2022 wird "Burn-out" im neuen internationalen Katalog zur Klassifizierung von Krankheiten (ICD 11) detaillierter beschrieben und erstmals als Syndrom gelistet. Burn-out ist laut der Weltgesundheitsorganisation WHO ein Syndrom aufgrund von "Stress am Arbeitsplatz, der nicht erfolgreich verarbeitet werden kann". Die Krankheit manifestiert sich unter anderem in einem Gefühl von Erschöpfung, in einer zunehmend negativen Haltung zum Job bei vorhergehendem großen Engagement und in einem reduzierten beruflichen Leistungsvermögen. Der Begriff Burn-out darf laut WHO ausschließlich im beruflichen Zusammenhang verwendet werden.

"Mit der Diagnose Burn-out in der Belegschaft stehen Unternehmen noch mehr in der Verantwortung, die Gesundung und Gesunderhaltung der Betroffenen zu begleiten, als bei anderen Erkrankungen. Denn der Arbeitsplatz ist der wesentliche Stressor", sagt Susanne Tiedemann vom Fürstenberg Institut. "Das betriebliche Eingliederungsmanagement ist eines der effektivsten Instrumente, um eine Gesundung und langfristige Arbeitsplatzsicherung für die Betroffenen zu erreichen." Die Arbeits- und Organisationspsychologin betont die Bedeutung externer Fallmanager und Fallmanagerinnen bei einem BEM-Prozess wegen Burn-outs. "Da wesentliche Ursachen für die Erkrankung am Arbeitsplatz begründet liegen, ist es für die Betroffenen häufig leichter, Vertrauen zu einer externen Expertin oder einem Experten zu fassen." Auch für das Unternehmen ist der Blick von außen oft zielführender in der Analyse auslösender und aufrechterhaltener krankmachender Arbeitsplatzfaktoren, die anschließend unternehmensintern oder organisationspsychologisch behoben werden können.

Ein erfolgreicher BEM-Prozess bei Burn-out setzt allerdings auch bei der oder dem Betroffenen selbst an. "Burnout kommt zustande durch eine Dysbalance zwischen dem, was wir leisten und geben und der nötigen Regeneration", so Susanne Tiedemann. Die Balance kann im Alltag zum Beispiel durch mehr Ruhephasen (weniger private Verabredungen, lieber ein längerer Urlaub als drei Kurztrips) und das (Wieder-)Entdecken von Hobbies sein. "Der Spaß und die Ausgelassenheit müssen zurück ins Leben geholt werden", so die Expertin.

Anzeichen für Burn-out als Führungskraft erkennen

Erfolgreiche BEM-Maßnahmen zielen bei Burn-out auch auf eine Stärkung der Resilienz ab und in diesem Zuge auf die Kompetenz, im Job Nein sagen zu lernen. Denn auf beruflicher Ebene liegt die Ursache für ein Burn-out häufig darin, dass bei der Menge an Aufgaben und Verantwortung ein bestimmtes Maß schleichend überschritten wurde und so für den Verlust von Übersichtlichkeit sorgte. "Ebenfalls können die Unfähigkeit, Nein sagen zu können, oder eigene Ansprüche wie Perfektionismus oder Pünktlichkeit zu einer Erschöpfung beitragen", so Tiedemann. Das Gefühl der Ohnmacht ist dann bei den Betroffenen oft sehr groß. "Deswegen ist es wichtig, dass Führungskräfte ein feines Gespür für die Warnhinweise entwickeln und rechtzeitig gegensteuern." 

Typische Anzeichen für Überlastungen am Arbeitsplatz können zum Beispiel Fahrigkeit sein, Schlaf- und Wortfindungsstörungen oder fehlende Strategien, Arbeitsaufgaben zu priorisieren. Für Führungskräfte gut zu erkennen ist auch, wenn der oder die Betroffene keine guten Abgrenzungsstrategien mehr hat und sich mit ewigem Ja-Sagen bei sehr hohem Workload immer noch mehr Projekte auflädt. "Umso wichtiger ist es für Führungskräfte, die Mitarbeitenden, die immer 'hier' rufen, nicht mit weiteren Aufgaben zu betrauen, wenn schon erste Hinweise auf Überlastung hindeuten. Hier ist die Fürsorgepflicht gefragt."

Präventives BEM bei den ersten Anzeichen eines Burn-outs 

Doch, was tun, wenn alle Warnhinweise übersehen wurden und der oder die Betroffene mit der Diagnose Burn-out länger ausfällt? Wichtig für Unternehmen ist dann, die Rückkehr an den Arbeitsplatz bestmöglich zu unterstützen. Das BEM kann - wenn der oder die Betroffene einverstanden ist - nach einem durchgehenden oder wiederholten Arbeitsausfall von insgesamt sechs Wochen innerhalb eines Jahres greifen. Von großer Bedeutung ist zunächst, die stressauslösenden Faktoren am Arbeitsplatz zu identifizieren. Das können eine laute Umgebung sein (Bau- und Straßenlärm), eine technisch schlechte Ausstattung im Homeoffice, ständige Fremdbestimmtheit, weil ungefragt Termine arrangiert werden, aber auch Konflikte mit Führungskräften oder Kollegen. Es muss sich also konkret etwas am Arbeitsplatz verändern, wenn der oder die Burn-out-Erkrankte an den Arbeitsplatz zurückkehrt. Sonst ist ein Rückfall vorprogrammiert.

Liegt eine Arbeitsüberlastung vor, könnte eine konkrete Maßnahme sein, alle Aufgaben aufzulisten und gemeinsam mit dem Team eine Umverteilung zu besprechen. Es kann auch helfen, für Deep-Work-Phasen ruhige Arbeitsplätze einzurichten. Bei Konflikten mit Vorgesetzten oder Kolleginnen und Kollegen ist manchmal die Zuteilung eines anderen Büroarbeitsplatzes oder neuer Aufgaben mit einem neuen Team die nachhaltigste Lösung. Da Führungskräfte überproportional betroffen sind, kann auch das Hinterfragen der eigenen Führungsrolle wirksam sein. Warum nicht mal den Mut haben, für die Gesundheit wieder auf Mitarbeiter-Ebene zu wechseln?

"Letztlich werden in einem BEM-Prozess immer offene Flanken im Gesundheitsmanagement aufgedeckt", so Susanne Tiedemann vom Fürstenberg Institut. "Wenn Unternehmen eine Burn-out-Erkrankung zum Anlass nehmen, die Arbeit insgesamt gesundheitsfördernder zu gestalten, ist das mittelfristig auch ein wirtschaftlicher Erfolg." Die Expertin rät Unternehmen deswegen auch zum präventiven BEM. "Wenn der oder die von Überlastung betroffene Mitarbeitende einverstanden ist, kann ein BEM schon bei ersten Anzeichen angewendet werden. Da muss nicht erst die 42-Tage-Frist erfüllt sein."


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