Entscheidungsstichwort (Thema)

Widerspruch des Betriebsrats. Verhaltensbedingte Kündigung. Weiterbeschäftigungsanspruch. Einstweilige Verfügung

 

Leitsatz (redaktionell)

Will der Betriebsrat einer verhaltensbedingten Kündigung nach § 102 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG widersprechen, muss er darlegen, dass sich das zur Begründung der Kündigung angeführte Fehlverhalten auf einem anderen Arbeitsplatz nicht wiederholen kann.

 

Normenkette

BetrVG § 102 Abs. 3, 5; ZPO § 935

 

Verfahrensgang

ArbG Neumünster (Urteil vom 15.04.2010; Aktenzeichen 4 Ga 10 c/10)

 

Tenor

Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 15.04.2010, 4 Ga 10 c/10, abgeändert:

Die einstweilige Verfügung auf Weiterbeschäftigung des Verfügungsklägers wird aufgehoben und der auf Erlass der Verfügung gerichtete Antrag zurückgewiesen.

Die Verfügungsbeklagte wird von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung des Verfügungsklägers entbunden.

Der Verfügungskläger trägt die Kosten des Rechtsstreits (beide Rechtszüge).

Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Verfügungsbeklagte verpflichtet ist, den Verfügungskläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des beim Arbeitsgericht Neumünster zum Aktenzeichen 4 Ca 1309 c/01 anhängigen Kündigungsschutzprozesses weiterzubeschäftigen.

Der am …1957 geborene Verfügungskläger ist bei der Beklagten seit dem 10.06.1985 als Springer in der Montage beschäftigt. Sein durchschnittliches Bruttomonatsgehalt betrug zuletzt 4.030,00 EUR.

Anfang August 2009 wurde der Verfügungskläger auf einen defekten Bürostuhl aufmerksam. Für diesen Stuhl besorgte er sich einen sog. Verschrottungsnachweis. Anschließend stellte er den Stuhl hinter die Pförtnerloge an den Zaun, um ihn nach Arbeitsende mitzunehmen. Am selben Tag fand bei der Verfügungsbeklagten ein interner Umzug statt. Das Umzugsgut stand zeitweise in der Nähe des Schrottcontainers. Dazu gehörte auch der Bürostuhl der Frau W.. Dieser Stuhl war an der rückseitigen Lehne mit einem Umzugszettel versehen. Kurz vor Arbeitsende nahm der Verfügungskläger diesen Stuhl mit zum Ausgang und zeigte dem Pförtner den Verschrottungsnachweis. Der Pförtner verweigerte die Mitnahme und verwies den Verfügungskläger auf „seinen” Bürostuhl. Der Verfügungskläger stellte daraufhin den Bürostuhl der Frau W. zurück und nahm „seinen” Bürostuhl mit.

Am 21.08.2009 hörten die Personalreferentin Frau S. und der Vorgesetzte des Verfügungsklägers, Herr B., den Verfügungskläger zum Vorwurf des (versuchten) Trickdiebstahls an. An dem Gespräch nahm auch ein Betriebsratsmitglied teil. Was der Verfügungskläger in diesem Gespräch geäußert hat, ist streitig. Jedenfalls stritt er am 24.08.2009 schriftlich den vermeintlichen versuchten Diebstahl ab.

Mit Schreiben vom 28.08.2009 hörte die Verfügungsbeklagte den Betriebsrat zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Verfügungsklägers an. Der Betriebsrat widersprach mit Schreiben vom 02.09.2009 (Anlage Ast 5 = Bl. 17 f. d.A.). In diesem Schreiben heißt es:

„Der Betriebsrat widerspricht der ordentlichen Kündigung von Herrn Ö. aus folgenden Gründen gemäß § 102 Abs. 3 Nr. 1, 3 und 4, sowie Abs. 5.

(…)

Nach den Aussagen von Herrn Ö. sind wir der Überzeugung, dass es am 06.08.2009 zu einer Verwechslung zwischen dem geparkten Stuhl und dem Stuhl von Frau W. kam.

(…)

Der Betriebsrat ist der Meinung, dass aus diesem Vorfall weder ein Eigentumsdelikt, noch ein schwerer Sachverhalt abgeleitet werden kann, wie der Arbeitgeber behauptet. Außerdem ist dem Betriebsrat nicht bekannt, dass Herr Ö. aufgrund von ähnlichen Vorfällen bereits ermahnt oder abgemahnt wurde. Nach unseren Informationen hat er sich in der Vergangenheit immer korrekt verhalten.

(…)

Der Betriebsrat hält die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen Arbeitsplatz durch einen „Ringtausch” für möglich. Er könnte auf den Arbeitsplätzen von Herrn Sw. (Gabelstaplerfahrer, will aus gesundheitlichen Gründen versetzt werden) und Herrn Q. (Schweißer, der seit längerem aus dem Bereich Vorfertigung in die Montage versetzt werden möchte). Herr Ö. besitzt die entsprechende Qualifikation als E-Schweißer.

(…)”

Die Verfügungsbeklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Verfügungskläger am 07.09.2009 zum 30.04.2010. Der Verfügungskläger erhob am 16.09.2009 Klage mit dem Antrag, festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 07.09.2009 nicht zum 30.04.2010 aufgelöst worden ist, sondern fortbesteht.

Mit Schriftsatz vom 27.11.2009 beantragte der Verfügungskläger im Wege der Klageerweiterung, die Verfügungsbeklagte zu verurteilen, ihn zu unveränderten Vertragsbedingungen als Schweißer weiterzubeschäftigen.

In dem Kündigungsschutzverfahren erklärte der Verfügungskläger am 18.02.2010 im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht zu Protokoll, dass er bereits jetzt den Weiterbeschäftigungsanspruch ab 01.05.2010 gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG geltend mache und die Beklagte auffordere,...

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