Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung, ordentliche. Treuwidrigkeit. Treu und Glauben. soziale Rücksichtnahme. Lebensalter. Betriebszugehörigkeit. Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Vorschrift des § 242 BGB ist auf Kündigungen neben § 1 KSchG nur in beschränktem Umfang anwendbar. Eine Kündigung verstößt i.d.R. nur dann gegen § 242 BGB, wenn sie Treu und Glauben aus Gründen verletzt, die von § 1 KSchG nicht erfasst sind.

2. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen derjenigen Tatsachen, aus denen sich die Treuwidrigkeit ergibt, liegt beim Arbeitnehmer.

3. Eine lange Betriebszugehörigkeit, ein hohes Lebensalter sowie sonstige Tatsachen, die eine Person als sozial schwachen Arbeitnehmer ansehen lassen, sind nicht bereits an sich geeignet, eine Kündigung als unwirksam einzuordnen. Auch nach dem Kündigungsschutzgesetz kann einem Arbeitnehmer, der über eine äußerst lange Betriebszugehörigkeit verfügt, der älteste Arbeitnehmer im Betrieb ist und auch unter sonstigen persönlichen Gesichtspunkten besonders sozial schutzwürdig erscheint, gekündigt werden, wenn der Bedarf für seine Beschäftigung entfallen ist und andere Arbeitnehmer des Betriebs mit ihm nicht vergleichbar sind.

 

Normenkette

KSchG § 1; BGB §§ 241-242

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Urteil vom 19.03.2009; Aktenzeichen 2 Ca 3196/08)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 19.03.2009 – 2 Ca 3196/08 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Revision nicht gegeben; im Übrigen wird auf § 72 a ArbGG verwiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Treuwidrigkeit einer ordentlichen Kündigung.

Der Beklagte betreibt eine Ford-Vertretung mit Reparaturbetrieb. Zum Zeitpunkt der Kündigung beschäftigte er drei Arbeitnehmer einschließlich des Klägers.

Der Kläger, am …1954 geboren, ist seit dem 01.08.1969 bei dem Beklagten tätig. Er ist verheiratet und hat eine 21-jährige Tochter, die bei ihm lebt. Er erhielt zuletzt eine durchschnittliche Vergütung von 2.256,94 EUR brutto monatlich.

Der Kläger war stets in der Werkstatt eingesetzt. Er hat keinen Ausbildungsberuf erlernt, hat eine Lese- und Rechtschreibschwäche und kann u.a. deshalb keinen PC bedienen. Er besitzt auch keinen Führerschein.

Der Beklagte beschäftigt neben dem Kläger zwei ausgebildete Kfz-Mechaniker, davon einen als Werkstattleiter, der in Abwesenheitszeiten von dem anderen Kfz-Mechaniker vertreten wird.

Am 18.11.2008 erhielt der Kläger die fristgemäße Kündigung zum 30.06.2009. Der Beklagte stützt sich auf wirtschaftliche Hintergründe, die eine Personalkostenreduzierung erforderlich machten. Angesichts zunehmender Elektronisierung der Kraftfahrzeuge sowie der Tatsache, dass der Kläger wegen seiner Lese- und Rechtschreibschwäche unstreitig weder den PC noch elektronische Messgeräte einsetzen kann und auch mangels Führerscheins nicht in der Lage ist, zumindest Probefahrten durchzuführen, hat sich der Beklagte für eine Entlassung des Klägers entschieden.

Gegen die Kündigung vom 18.11.2008 hat der Kläger rechtzeitig mit Datum vom 04.12.2008 Klage erhoben. Das Arbeitsgericht hat sie abgewiesen. Es hat unter Berücksichtigung der unstreitigen Einschränkungen des Klägers keinen Verstoß gegen § 242 BGB angenommen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Tatbestand, Anträge und Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils vom 19.03.2009 verwiesen.

Gegen diese dem Kläger am 06.04.2009 zugestellte Entscheidung hat er am 29.04.2009 Berufung eingelegt, die nach Fristverlängerung bis zum 08.07.2009 innerhalb der Frist begründet wurde.

Der Kläger ergänzt und vertieft im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen. Er ist der Ansicht, der Beklagte habe das Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme nicht beachtet. Der Kläger habe unter Berücksichtigung seiner persönlichen Einschränkungen keine Chance mehr auf dem Arbeitsmarkt. Er habe die längste Betriebszugehörigkeit, das höchste Lebensalter und sei der sozial schwächste Arbeitnehmer. Das habe der Beklagte unberücksichtigt gelassen. Der Kläger sei durchaus in der Lage, mit Hilfestellungen seiner Kollegen auch der zunehmenden Technisierung bei Ausübung seiner Tätigkeit Rechnung zu tragen. Zudem habe der Beklagte im Rahmen seiner Fürsorgepflicht den Kläger auf die zunehmende Technisierung vorbereiten und entsprechend aus- und fortbilden müssen. Jedenfalls habe er ihn rechtzeitig auffordern müssen, sich ggf. selbst zu qualifizieren. Letztendlich bestreitet der Kläger die behaupteten wirtschaftlichen Gründe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 19.03.2009 – 2 Ca 3196/08 – abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung vom 18.11.2008, zugegangen am 18.11.2008, mit Ablauf des 30.06.2009 beendet worden ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht für zutreffend...

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