Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Anspruch auf Mindestlohn bei Pflichtpraktikum als Zulassungsvoraussetzung für Studium. Weite Auslegung des Begriffes "hochschulrechtliche Bestimmung"

 

Leitsatz (amtlich)

Praktika, die nach der Zulassungsordnung einer Hochschule verpflichtende Voraussetzung der Studienzulassung sind, unterfallen § 22 Abs. 1 Satz 2 MiLoG und sind deshalb auch dann nicht nach diesem Gesetz zu vergüten, wenn sie aufgrund der Zulassungsordnung länger als drei Monate andauern. Der weit gefasste Begriff der "hochschulrechtlichen Bestimmung" in § 22 Abs. 1 Satz 2 MiLoG umfasst auch die Zulassungsordnungen der Hochschulen.

 

Normenkette

BBiG § 10 Abs. 2, §§ 17, 26; BUrlG §§ 2, 5 Abs. 1, § 7 Abs. 4; GG Art. 12; MiLoG § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 S. 2; ZPO § 97 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Trier (Entscheidung vom 10.06.2020; Aktenzeichen 4 Ca 204/20)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 19.01.2022; Aktenzeichen 5 AZR 217/21)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 10. Juni 2020 - 4 Ca 204/20 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Zahlung von Praktikumsvergütung.

Die Klägerin beabsichtigte, sich an der privaten Universität W.-H. um einen Studienplatz im Fach Humanmedizin zu bewerben. Nach den Zugangsregelungen dieser Universität war der Bewerbung der Nachweis eines sechsmonatigen Krankenpflegepraktikums, welches vor Studienbeginn absolviert sein muss, beizufügen (Bl. 9 f. d.A).

Vor diesem Hintergrund wandte sich die Klägerin an die Beklagte, die ein Klinikum in C-Stadt betreibt. Die Beklagte bot der Klägerin zunächst ein dreimonatiges unentgeltliches Praktikum an. Die Klägerin bestand jedoch auf der Absolvierung eines sechsmonatigen Praktikums mit dem Hinweis, dass nur ein solches Praktikum von der Universität W.-H. anerkannt werden würde. In der Annahme, dass Praktika über eine Dauer von drei Monaten hinaus nach dem Mindestlohngesetz vergütungspflichtig seien, wenn es sich nicht um ein Pflichtpraktikum handele, forderte die Pflegedirektion der Beklagten die Klägerin auf, einen Nachweis der Universität vorzulegen, dass es sich um ein Pflichtpraktikum für die Aufnahme des Medizinstudiums handele (Bl. 43 f. d.A).

Daraufhin legte die Klägerin der Beklagten einen dahingehenden Nachweis der Universität vom 8. Mai 2020 (Bl. 28 d.A) vor.

Auf der Grundlage einer mündlichen Vereinbarung wurde die Klägerin sodann vom 20. Mai 2019 bis zum 29. November 2019 als Praktikantin auf der Krankenpflegestation des Klinikums tätig. Eine Vergütungsvereinbarung war nicht getroffen worden. Dementsprechend waren im Personalbogen vom 15. Mai 2019, den die Klägerin ausgefüllt hat, die Eingabefelder für die Angaben zur Krankenkasse und einem Bankkonto durchgestrichen (Bl. 44 d.A).

Krankheitsbedingt fehlte die Klägerin vom 18. September bis zum 20. September 2019, was durch ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung belegt wurde.

Die Klägerin hat vorgetragen:

Sie sei täglich von 7: 45 Uhr bis 15: 48 Uhr mit zahlreichen Arbeiten nach Maßgabe ihrer Auflistung (Bl. 36 - 39 d.A) betraut worden; diese hätten für die Beklagte einen enormen wirtschaftlichen Wert gehabt. Die Klägerin habe auch die hauptberufliche Stationshilfe, die krank bzw. im Urlaub gewesen sei, für ungefähr einen Monat vertreten.

Nach dem MiLoG stehe ihr ein Lohnanspruch und nach dem BUrlG ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung zu. Dabei sei das MiLoG nach der juristischen Methodenlehre auszulegen (Bl. 31 ff. d.A).

Zu Unrecht berufe sich die Beklagte deshalb auf § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 MiLoG. Diese Ausnahmevorschrift spreche ausdrücklich von einem "Praktikum verpflichtend aufgrund einer [...] hochschulrechtlichen Bestimmung". Durch eine "hochschulrechtliche Bestimmung"in diesem Sinne könne man zu einem Praktikum aber nur dann verpflichtet werden, wenn man dieser Bestimmung bereits im Rahmen eines besonderen Gewaltverhältnisses oder eines Vertragsverhältnisses zwischen der Universität einerseits und dem eingeschriebenen Studenten andererseits unterliege.

Das sei bei der Klägerin aber nicht der Fall gewesen, weil das Praktikum - insoweit unstreitig - erst Voraussetzung für eine Bewerbung an der Universität gewesen sei.

Diesen Unterschied habe der Gesetzgeber auch berücksichtigt und mit der Formulierung "Praktikum [...] für die Aufnahme eines Studiums"in § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 MiLoG diejenigen Praktika geregelt, die man als Zugangsvoraussetzung zu einem Studium absolvieren müsse. Diese seien aber auf drei Monate begrenzt worden (Bl. 4 d.A).

§ 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 MiLoG ("für die Aufnahme eines Studiums") hätte keinen eigenen Anwendungsbereich mehr, wenn schon § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 MiLoG die Praktika regele, die Zugangsvoraussetzung zum Studium seien. Davon könne man nicht ausgehen. Nach dem Gesetzeswortlaut regele allein § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 MiLoG die Praktika, die für die Aufnahme eines Studiums vorgeschrieben seien (Bl. 32 d.A).

Orientiert am Gesetzeszweck habe der Gesetzgeber die Prakt...

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