Entscheidungsstichwort (Thema)

Abwerbung von Arbeitskollegen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Auch eine Abwerbung im Rechtssinne rechtfertigt nur unter besonderen Umständen die außerordentliche oder ordentliche verhaltensbedingte Kündigung des abwerbenden Arbeitnehmers. Zum Begriff der Abwerbung gehört, daß auf den Arbeitnehmer mit einer gewissen Ernsthaftigkeit und Beharrlichkeit eingewirkt wird mit dem Ziel, ihn zur Aufgabe des einen zwecks Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses zu bewegen. Das gemeinsame Pläneschmieden von Arbeitnehmern, von denen der eine sich selbständig machen will unter Einbeziehung von Kollegen, stellt keine einseitige beharrliche Einwirkung auf den anderen und damit regelmäßig keine Abwerbung dar.

2. Es gehört zu der durch Art 12 GG geschützten Freiheit der Berufswahl und der Berufsausübung, sich selbständig zu machen und - auch im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses - die dafür notwendigen Vorkehrungen zu treffen. Dazu zählt unter anderem die Anwerbung geeigneter Mitarbeiter. Von dieser Verfassungslage her ist er grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn ein Arbeitnehmer, der den Schritt in die Selbständigkeit beabsichtigt, die ihm aus einem bisherigen Arbeitsverhältnis bekannt gewordenen Kollegen auf den Wechsel zu ihm anspricht und deren Bereitschaft womöglich auch durch Gehaltszusagen fördert. Die innerhalb des Arbeitsverhältnisses bestehende Treuepflicht verbietet ihm die Wahrnehmung dieser berechtigten Eigeninteressen nicht. Mit solchen Abwerbungsmaßnahmen nimmt der Arbeitnehmer berechtigte, verfassungsrechtlich geschützte Interessen wahr. Dem stehen gleichermaßen geschützte Interessen des Arbeitgebers nicht entgegen. Sein Interesse, seine Arbeitnehmer nicht an Konkurrenten zu verlieren, ist grundsätzlich nicht geschützt. Die bloße Abwerbung greift damit nicht in gesicherte Rechtspositionen des Arbeitgebers ein, mag sie durch seine Arbeitnehmer oder durch Dritte erfolgen.

3. Etwas anderes kann nur gelten, wenn der Abwerbung das Merkmal der Sittenwidrigkeit anhaftet, da sich sittenwidrige Handlungen grundsätzlich außerhalb der geschützten Freiheitsräume bewegen. Dies kann der Fall sein, wenn die Abwerbung zugleich eine grobe Verletzung der Treuepflicht darstellt, insbesondere, wenn die sie begleitenden Handlungen eine besonders verwerfliche Gesinnung offenbaren oder selbst sittenwidrig sind. Solche Umstände können etwa vorliegen, wenn ein Arbeitnehmer Kollegen zu verleiten sucht, unter Vertragsbruch beim bisherigen Arbeitnehmer auszuscheiden, wenn er im Auftrag eines Konkurrenzunternehmens gegen Bezahlung diesen Versuch unternimmt oder wenn er insoweit seinen Arbeitgeber planmäßig zu schädigen sucht.

 

Orientierungssatz

Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt unter dem Aktenzeichen 2 AZN 162/92.

 

Normenkette

GG Art. 12; BGB § 626; KSchG § 1

 

Verfahrensgang

ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 22.05.1991; Aktenzeichen 3 Ca 685/91)

 

Fundstellen

Haufe-Index 445879

BB 1992, 858

BB 1992, 858-859 (L1-3)

DB 1992, 789 (L1-3)

ARST 1992, 123-124 (LT1)

NZA 1993, 265

NZA 1993, 265-266 (LT1-3)

RzK, I 6a Nr 84 (L1-3)

ArbuR 1992, 184 (L1,S1)

Bibliothek, BAG (LT1-3)

LAGE § 626 BGB, Nr 64 (LT1-3)

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