Entscheidungsstichwort (Thema)

Entzug von PKH wegen Tauschens des Gerichts. Aufhebung der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe

 

Leitsatz (amtlich)

1) Das Arbeitsgericht kann seinen Beschluß über die Bewilligung von Prozekostenhilfe gem. § 124 Nr. 1 ZPO nachträglich aufheben, wenn die Partei wesentliche Punkte für die Beurteilung des Sachverhalts durch Verschweigen nicht dargelegt hat und das Gericht aufgrund der gelieferten Angaben im Bewilligungszeitpunkt zunächst eine umfassende Einschätzung des Sachverhalts nicht vornehmen konnte.

2) Dies ist der Fall, wenn sich ein Student auf eine gegen § 611 b BGB verstoßende ausgeschriebene Stelle vergebens beworben hat, er daraufhin vom Arbeitgeber Schadensersatz nach § 611 a Abs. 2 BGB fordert und sich erst im Laufe des Rechtsstreits gewichtige Anhaltspunkte mehren, daß der Student nicht die Absicht hatte, die Stelle tatsächlich zu erlangen. Hierfür spricht u.a., wenn sich der Student in mehr als 100 Fällen gerade auf solche Stellen bewirbt, die nicht geschlechtsneutral ausgeschrieben sind und er dann jeweils vom Arbeitgeber Schadensersatz fordert mit der Begründung, er habe nur wegen seines Geschlechts die ausgeschriebene Position nicht erlangt.

 

Normenkette

ZPO § 124; BGB § 611b

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Beschluss vom 24.07.1996; Aktenzeichen 1 Ca 3006/95)

 

Tenor

Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen denBeschluß des Arbeitsgerichts Koblenz vom24. Juli 1996 – 1 Ca 3006/95– wird auf Kosten des Beschwerdeführers zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Im vorliegenden Verfahren verlangt der Kläger von der Beklagten Schadensersatz gemäß § 611 a Abs. 2 BGB, weil er sich erfolglos auf eine Stelle für eine „kaufmännische Mitarbeiterin” für die Außenstelle L. der Beklagten beworben hat. Auf den Inhalt des Bewerbungsschreibens des Klägers vom 21. Aug. 1995 nebst 3 Anlagen wird hiermit Bezug genommen.

Der Kläger hat sich im vorliegenden Verfahren darauf berufen, die Beklagte habe nur im Hinblick auf sein Geschlecht seine Bewerbung abgelehnt, was schon daraus zu entnehmen sei, daß die in der …-Zeitung vorgenommene Stellenausschreibung nicht geschlechtsneutral abgefaßt gewesen sei.

Die Beklagte hat bestritten, dem Kläger den Arbeitsplatz im Hinblick auf sein Geschlecht nicht übertragen zu haben. Vielmehr seien bestimmte Angaben des Klägers in seinen Bewerbungsunterlagen für die Ablehnung ausschlaggebend gewesen. Auch bestreite sie, daß der Kläger als Student überhaupt eine ernsthafte Bewerbungsabsicht gehabt habe. Das Arbeitsgericht hat durch Beschluß vom 15. April 1996 dem Kläger auf seinen Antrag hin Prozeßkostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 1996 hat der Kläger auf Frage des Gerichts angegeben, er habe mehrere hundert Bewerbungsschreiben auf weibliche Ausschreibungen verschickt und inzwischen 5–6 Prozesse bei verschiedenen Arbeitsgerichten laufen.

Nach Anhörung des Klägers hat das Arbeitsgericht durch Beschluß vom 24. Juli 1996 seinen früheren Beschluß über die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe wieder aufgehoben. In der Begründung hat das Arbeitsgericht angegeben, der Kläger habe mit seiner Klage den Eindruck erweckt, er sei tatsächlich ernsthaft an der von der Beklagten öffentlich ausgeschriebenen Stelle interessiert gewesen. Aufgrund seiner hundertfach bundesweit getätigten Bewerbungen sei jedoch eine ernsthafte Bewerbungsabsicht bei der Beklagten nur schwerlich vorstellbar. Damit lägen aber auch die Voraussetzungen von § 124 Nr. 1 ZPO für eine Aufhebung der Bewilligungsentscheidung vor.

Gegen diesen Beschluß hat der Kläger

Beschwerde

eingelegt, da nach seiner Auffassung die Voraussetzungen von § 124 Nr. 1 ZPO offenkundig nicht erfüllt seien.

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Parteien zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die zu den Sitzungsniederschriften getroffenen Feststellungen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die statthafte Beschwerde ist gemäß §§ 127 Abs. 2 S. 2, 567 ff ZPO zulässig.

In der Sache ist das Rechtsmittel allerdings nicht begründet.

Mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht mit Beschluß vom 24. Juli 1996 seinen früheren Bewilligungsbeschluß aufgehoben.

Nach § 124 Nr. 1 ZPO kann das Gericht die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe aufheben, wenn die Partei durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die für die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe maßgebenden Voraussetzungen vorgetäuscht hat. Wie schon das Arbeitsgericht ist auch das Beschwerdegericht davon überzeugt, daß dies durch den Beschwerdeführer im vorliegenden Verfahren geschehen ist.

Zwar bietet § 124 Nr. 1 ZPO keine allgemeine Handhabe dafür, daß ein Gericht die bewilligte Prozeßkostenhilfe allgemein wieder aufheben kann, wenn es im nachhinein zu einer anderer Beurteilung der Rechtslage kommt. Erforderlich für die Aufhebung nach § 124 Nr. 1 ZPO ist, daß das Gericht im Zeitpunkt der tatsächlichen Bewilligung in einem Irrtum über die Voraussetzungen der Erfolgsaussicht und bzw....

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