Entscheidungsstichwort (Thema)

Entschädigungsanspruch wegen Diskriminierung. subjektiv nicht ernsthafte Bewerbung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Jedenfalls im Zusammenhang mit anderen Indizien kann der Umstand, dass ein Arbeitnehmer in einer Vielzahl von Fällen Klagen auf Zahlung von Schadensersatz bzw. Entschädigung wegen behaupteter Diskriminierung bei Stellenausschreibungen erhoben hat, den Schluss rechtfertigen, dass eine ernsthaft gemeinte Bewerbung nicht vorlag.

2. Solche anderen Indizien können darin zu sehen sein, dass ein Bewerbungsschreiben weitgehend aus Textbausteinen zusammengesetzt ist, keinerlei Ausführungen dazu enthält, was den Bewerber gerade an der ausgeschriebenen Stelle interessiert, und keine aussagekräftige Darstellung des bisherigen beruflichen Werdegangs des Bewerbers enthält.

3. Liegen hinreichende Indizien vor, die gegen eine ernsthafte Bewerbungsabsicht sprechen, kommen Schadensersatz- bzw. Entschädigungsansprüche gemäß § 15 AGG nicht in Betracht.

4. Ein auf die Geltendmachung derartiger Ansprüche gerichteter Prozesskostenhilfeantrag ist in solchen Fällen offensichtlich mutwillig.

 

Normenkette

ZPO § 114; ArbGG § 11a; AGG §§ 15, 7 Abs. 1, § 1

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Beschluss vom 16.10.2008; Aktenzeichen 21 Ca 154/08)

ArbG Hamburg (Beschluss vom 08.10.2008; Aktenzeichen 21 Ca 154/08)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen die Beschlüsse des Arbeitsgerichts Hamburg vom 8. Oktober 2008 und 16. Oktober 2008 – 21 Ca 154/08 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger machte mit der Klage vom 9. April 2008 einen Entschädigungsanspruch wegen behaupteter geschlechtsdiskriminierender Benachteiligung bei einer Bewerbung geltend und begehrte hierfür Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten.

Der Kläger bewarb sich mit Schreiben vom 17. Oktober 2007 auf eine Stellenanzeige der Beklagten vom 13./14. Oktober 2007, mit der eine Sekretärin gesucht wurde. In der Anzeige werden unter der Überschrift „Ihr Profil” als Anforderungen u.a. „erster Erfahrungen im Sekretariat” und „Spaß an Teamwork” genannt. Dem Bewerbungsschreiben des Klägers waren verschiedene Schulzeugnisse, das Zeugnis eines Autohauses vom 9. August 1985 über die Ausbildung des Klägers zum Kaufmann im Groß- und Außenhandel, das Prüfungszeugnis, das Zeugnis eines Maschinenschreib-Instituts vom 14. September 1981 und ein Lebenslauf beigefügt.

Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 12. November 2007 mit, sie habe sich für einen anderen Bewerber entschieden.

Daraufhin machte der Kläger mit Schreiben vom 10. Januar 2008 gegenüber der Beklagten geltend, diese habe seine Bewerbung in diskriminierender Weise zurückgewiesen; zugleich wies der Kläger darauf hin, dass die Höhe des vorgesehenen Schadensersatzes auf drei Bruttomonatsgehälter begrenzt sei, sofern der Bewerber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre, anderenfalls gelte diese Obergrenze nicht.

Der Kläger, der sich in Privatinsolvenz befindet, hat behauptet, er wolle unbedingt wieder in das Arbeitsleben integriert werden. Er sei verpflichtet, alles ihm Mögliche zur Gläubigerbefriedigung zu tun. Er bewerbe sich entsprechend den Auflagen des Treuhänders und der Agentur für Arbeit auf alle Stellen, für die er aufgrund seiner Ausbildung und zurückliegenden Tätigkeit objektiv geeignet sei. Er habe sich im Zeitraum vom 25. Juli 2005 bis zum 6. April 2008 auf insgesamt 643 Stellen beworben, von denen 115 diskriminierend ausgeschrieben worden seien. Entschädigungsansprüche seien nur vereinzelt geltend gemacht worden.

Die Beklagte hat geltend gemacht, der Kläger sei objektiv für die ausgesprochene Stelle nicht geeignet gewesen. Der Kläger habe sich auch nicht subjektiv ernsthaft um die Stelle beworben. Ihm sei der Vorwurf Rechtsmissbrauchs entgegenzuhalten, da er bislang in etwa 25 Verfahren wegen angeblicher Diskriminierung im Bewerbungsverfahren geradezu „musterhaft” eine Entschädigung nach dem AGG verlangt.

Das Arbeitsgericht wies den Antrag des Klägers vom 6. Mai 2008 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten mit Beschluss vom 8. Oktober 2008, dem Kläger zugestellt am 13. Oktober 2008, zurück. Mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2008 trug der Kläger vor, in seinem Antrag vom 6. Mai 2008 sei als Minus der Antrag auf Beiordnung nach § 11 a ArbGG enthalten. Hierauf wies das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 16. Oktober 2008, dem Kläger zugestellt am 20. Oktober 2008, den Antrag des Klägers vom 14. Oktober 2008 zurück. Gegen beide vorgenannten Beschlüsse des Arbeitsgerichts richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers vom 11. Oktober 2008, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig.

Sie ist gemäß §§ 127 Abs. 2 Satz 2, 567 Abs. 1 Ziffer 1 ZPO statthaft, weil der Streitwert der Hauptsache den in § 511 ZPO genannten Betrag überschreitet.

Die sof...

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