Entscheidungsstichwort (Thema)

Unwirksame Klausel zum Widerruf der Überlassung eines auch privat genutzten Dienstwagens aus wirtschaftlichen Gründen. Schadensersatzklage des Arbeitnehmers bei unzureichender Konkretisierung der wirtschaftlichen Gründe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die arbeitsvertraglich eingeräumte Möglichkeit, einen vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Dienstwagen auch für Privatfahrten nutzen zu dürfen, ist eine zusätzliche Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung.

2. Wird diese Gegenleistungspflicht im Rahmen eines Formulararbeitsvertrages unter einen Widerrufsvorbehalt gestellt, bedarf es einer näheren Beschreibung des Widerrufsgrundes, der auch das Interesse des Arbeitnehmers an der Beibehaltung der Leistung berücksichtigt.

3. Eine Vertragsklausel, die den Arbeitgeber u.a. berechtigt, die Dienstwagengestellung "aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens" zu widerrufen, ist ohne nähere Konkretisierung des aus dieser Richtung kommenden Widerrufsgrundes zu weit gefasst. Nicht jeder Grund, der wirtschaftliche Aspekte betrifft, ist ein anzuerkennender Sachgrund für den Entzug der Dienstwagennutzung und der damit verbundenen privaten Nutzungsmöglichkeit. Für den Arbeitnehmer ist es typisierend betrachtet unzumutbar, die Entziehung hinzunehmen, wenn der Dienstwagen für die auszuübende Tätigkeit gebraucht wird und kostengünstigere Alternativen nicht vorhanden sind (vgl. BAG 13. April 2010 _ 9 AZR 113/09 _, Rn. 40, juris).

 

Normenkette

BGB §§ 280, 283, 305, 308 Nr. 4, § 280 Abs. 1 S. 1, § 283 S. 1, § 305 Abs. 1, § 307 Abs. 3 S. 1, § 611a

 

Verfahrensgang

ArbG Celle (Entscheidung vom 07.02.2017; Aktenzeichen 1 Ca 266/16)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Celle vom 07.02.2017 (1 Ca 266/16) teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.373,33 € brutto nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 173,33 € brutto seit dem 01.08.2016 und auf jeweils weitere 400,00 € brutto ab dem 01. des jeweiligen Folgemonats zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger einen Dienstwagen ihrer Wahl zur Verfügung zu stellen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab 01.02.2018 für die Dauer der Vorenthaltung eines Dienstwagens einen Schadensersatz von monatlich 400,00 € brutto zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 10% und die Beklagte zu 90% zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Widerruf eines auch zur Privatnutzung überlassenen Dienstwagens.

Der Kläger trat 2011 in die Dienste der Rechtsvorgängerin der Beklagten. Im schriftlichen Arbeitsvertrag heißt es unter Ziffer 4., dass das "aufgeschlüsselte Gehalt" in einer Anlage 1 zum Arbeitsvertrag "besonders bekanntgegeben" wird. Ziffer 4. dieser Anlage lautet:

"SID stellt Herrn A. (...) einen Dienstwagen nach Wahl von SID zur Verfügung, der auch privat genutzt werden darf. (...). SID ist berechtigt, die Dienstwagengestellung jederzeit für die Zukunft aus sachlichen Gründen, insbesondere aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens, der Leistung oder des Verhaltens des Arbeitnehmers, zu widerrufen und die Herausgabe des Dienstwagens zu verlangen, sofern dies dem Arbeitnehmer zumutbar ist. Ein sachlicher Grund liegt insbesondere in folgenden Fällen vor:

- Freistellung des Arbeitnehmers von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung

- Wegfall der tatsächlichen Arbeitsleistung nach Ablauf etwaiger Entgeltfortzahlungszeiträume

- Ruhen des Arbeitsverhältnisses

- Verlust der Fahrerlaubnis oder Fahrverbot

- Durchführung von Wartungs- und Reparaturarbeiten bzw. Ersatzbeschaffung

- Änderung der Arbeitsaufgabe

Ein Anspruch auf Entschädigung für die entfallende private Nutzungsmöglichkeit des Dienstwagens und ein Zurückbehaltungsrecht für den Fall des Widerrufs bestehen nicht."

Seit Oktober 2015 besteht das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten, die Dienstleistungen auf Gas- und Ölbohrstellen erbringt und den Kläger als Fishing Tool Supervisor I einsetzt. Zu seinen wesentlichen Aufgaben gehört die Überwachung der Einsatzgeräte sowie die Betreuung und Beratung der Kunden direkt am Bohrturm.

Die Beklagte zahlte dem Kläger zuletzt monatlich ein Grundgehalt von 3.722,62 € brutto sowie eine Turmpauschale in Höhe von 1.250,00 € brutto. Außerdem zahlt ihm die Beklagte ein 13. Monatsgehalt sowie ein Urlaubsgeld in Höhe von 70 % eines Bruttomonatsgehalts. Als Dienstwagen stellte die Beklagte dem Kläger zuletzt einen Audi Q5 zur Verfügung, der neu etwa 40.000,00 € kostet.

Die wirtschaftliche Bilanz der Beklagten wies für das Geschäftsjahr 2014 einen Verlust in Hö-he von ca. 19,5 Mio. € und für das Jahr 2015 in Höhe von ca. 16,7 Mio. € aus. Die Beklagte traf daraufhin die unternehmerische Entscheidung, künftig Poolfahrzeuge einzusetzen, die nur zu dienstlichen Zwecken genutzt werden können. Lediglich vorübergehend nutzte die Beklagt...

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