Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerkschaftswerbung im Betrieb

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das in Art.9 Abs.3 GG verankerte Recht auf gewerkschaftliche Werbung im Betrieb berechtigt einen Arbeitnehmer nicht, „auf jede Art und Weise” (Brief, Fax, Flugblatt, Mailnachricht, persönliches Gespräch sowie telefonische Mitteilung) andere Arbeitnehmer des Arbeitgebers über die Anwendbarkeit und den Inhalt eines für den Betrieb bzw. das Unternehmen des Arbeitgebers geltenden Manteltarifvertrags unter Inanspruchnahme betrieblicher Einrichtungen zu unterrichten, für eine nicht tarifzuständige Gewerkschaft zu werben und die Arbeitskolleginnen und -kollegen über den Inhalt der zu ihren Gunsten geltenden Rechtsvorschriften im Sinne von § 80 Abs:1 Nr.1 BetrVG zu informieren.

2. Das „Wächteramt” gem. § 80 Abs.1 Nr.1 BetrVG steht dem Betriebsrat als Organ und nicht einzelnen Betriebsratsmitgliedern zu, und vor allem nicht Ersatzmitgliedern außerhalb ihrer Heranziehung zur Betriebsratsarbeit.

 

Normenkette

BGB § 626; GG Art. 9 Abs. 3, Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1; BetrVG § 80 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

ArbG München (Teilurteil vom 15.04.2010; Aktenzeichen 36 Ca 18030/09)

 

Tenor

1. Die Berufungen der Beklagten und des Klägers gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts München vom 15.04.2010 – 36 Ca 18030/09 – werden zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger zu ¼ und der Beklagten zu ¾ auferlegt.

3. Die Revision wird für keine der Parteien zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung sowie über die Berechtigung des Klägers, die Beschäftigten deutscher Konzerngesellschaften der T. Corporation, C-Stadt, Florida, sowie der Beklagten auf jede Art und Weise von der Anwendbarkeit und dem Inhalt des allgemeinverbindlichen Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in den Bayerischen Betrieben des Groß- und Außenhandels vom 23.06.1997 sowie vom Inhalt der zu ihren Gunsten geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen im Sinne von § 80 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG in Kenntnis zu setzen, hilfsweise über die Berechtigung des Klägers, bei den Beschäftigten der Beklagten und bestimmter, namentlich bezeichneter deutscher Tochtergesellschaften der T. Corporation, C-Stadt, Florida, für eine Vereinigung zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen im Sinne des Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG zu werben.

Der Kläger ist seit 15.03.2003 bei der Beklagten als Prüfungsleiter der internen Revision zu einem Bruttogehalt von zuletzt 0,00 EUR angestellt. Die Beklagte ist eine Holding-Gesellschaft mit Tochtergesellschaften in Deutschland, die sich ausschließlich mit Groß- und Außenhandel befassen. Sie beschäftigt etwa 50 Arbeitnehmer. Im September 2009 war bei ihr kein Betriebsrat gebildet.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis vorsorglich mit Schreiben vom 25.09.2009 außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich verhaltensbedingt zum 31.12.2009. Die fristlose Kündigung vom 25.09.2009 ist Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Dagegen ist die vom Kläger gegen die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung erhobene Kündigungsschutzklage anderweitig vor dem Arbeitsgericht München (13 Ca 16550/09) anhängig.

Der Kündigung vom 25.09.2009 waren eine außerordentliche Kündigung vom 22.12.2003 sowie eine vorsorgliche außerordentliche und hilfsweise ordentliche Kündigung vom 18.08.2005, ferner zwei Abmahnungen vom 10.10.2003 vorangegangen. Dies hat zu einer Vielzahl arbeitsgerichtlicher Verfahren geführt. So endete der Kündigungsschutzprozess über die Kündigung vom 22.12.2003 mit rechtskräftiger gerichtlicher Feststellung der Unwirksamkeit dieser Kündigung. Im Kündigungsschutzprozess über die Kündigung vom 10.08.2005 hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 08.10.2009 – unter anderem – das Teilurteil des Landesarbeitsgerichts München vom 30.04.2008 – 5 Sa 661/07 – insoweit aufgehoben, als es die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 30.05.2007 – 20 Ca 13029/05 – wegen der Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung zurückgewiesen hat; im entsprechenden Umfang hat das Bundesarbeitsgericht auf die Berufung des Klägers unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils den Antrag der Beklagten auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses abgewiesen. In einem anderen, zwischen den Parteien des vorliegenden Verfahrens geführten Rechtsstreit hat das Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 20.05.2009 – 5 AZN 1078/08 – die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 24.09.2008 – 11 Sa 987/05 – zurückgewiesen und in den Gründen ausgeführt, bei einer Holding, deren Tochtergesellschaften sich ausschließlich mit Groß- und Außenhandel befassten, genüge für die Anwendbarkeit des Manteltarifvertrages für die Beschäftigten des Groß- und Außenhandels in Bayern vom 23.06.1997, dass der Betrieb zu ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge