Entscheidungsstichwort (Thema)

Sonderkündigungsschutz nach § 15 Abs. 3a KSchG bei gemeinsamen Antrag nach § 17 Abs. 4 BetrVG eines einzelnen Arbeitnehmers mit einer Gewerkschaft. Behinderung einer Wahl zum Betriebsrat (§ 20 BetrVG i.V.m. § 134 BGB). Auflösung eines Arbeitsverhältnisses nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Sonderkündigungsschutz nach § 15 Abs. 3a KSchG erlangt der Arbeitnehmer dann nicht, wenn sein vor Zugang des Kündigungsschreibens gestellter Antrag auf gerichtliche Bestellung eines Wahlvorstandes mangels hinreichender Antragstellerzahl (§ 17 Abs. 4 S. 1 BetrVG) unzulässig ist.

2. Der relative Kündigungsschutz, den § 20 Abs. 1 BetrVG gewähren kann, ist nicht so zu verstehen, dass der Sonderkündigungsschutz des § 15 KSchG über seinen Geltungsbereich hinaus ausgedehnt wird, also z.B. auch schon möglichen künftigen Wahlbewerbern zu Gute kommt.

 

Normenkette

KSchG § 15 Abs. 3a; BetrVG § 17 Abs. 4, § 20; BGB § 134

 

Verfahrensgang

ArbG München (Urteil vom 30.05.2007; Aktenzeichen 20 Ca 13029/05)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 08.10.2009; Aktenzeichen 2 AZR 682/08)

 

Tenor

1. Die Entscheidung über die Berufung des Klägers gegen Ziffer 10 des Endurteils des Arbeitsgerichts München vom 30.05.2007, Az. 20 Ca 13029/05, bleibt einem Schlussurteil vorbehalten. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Anschlussberufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 30.05.2007, Az. 20 Ca 13029/05, wird zurückgewiesen.

3. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

4. Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung der Beklagten vom 10.08.2005, darüber ob die Beklagte verpflichtet ist den Kläger weiterzubeschäftigen und ihm Annahmeverzugslohn zu zahlen, ob das Arbeitsverhältnis auf Antrag der Beklagten zum 31.12.2005 aufzulösen ist und schließlich ob der Kläger verpflichtet ist, überzahlte Beträge an die Beklagte zurückzuzahlen.

Die Beklagte beschäftigt rund 85 Mitarbeiter. Zu ihren Tochterunternehmen gehört die pp. GmbH & Co. OHG mit den Geschäftsbereichen „pp-1” und „pp-2”. Betriebsverfassungsrechtlich besteht für jeden der beiden „Geschäftsbereiche” ein eigenständiger Betriebsrat. Der Kläger war aufgrund Arbeitsvertrages vom 31.01.2003 (Bl. 48 ff. d.A.) seit 15.03.2003 bei der Beklagten als „Manager Internal Audit” zu einer monatlichen Bruttovergütung in Höhe von EUR 5.616,– beschäftigt.

Eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 22.12.2003 beurteilte das Arbeitsgericht München (8 Ca 402/04) für unwirksam und stellte (zwischenzeitlich rechtskräftig) mit Schlussurteil vom 09.08.2005 fest, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 22.12.2003 nicht aufgelöst worden ist. Ein in diesem Verfahren von der Beklagten gestellter Auflösungsantrag wurde abgewiesen (zwischenzeitlich ebenfalls rechtskräftig – LAG München vom 30.06.2006 – 11 Sa 987/05).

Mit Schreiben vom 10.08.2005 (Bl. 7 d.A.) kündigte die Beklagte erneut „höchst vorsorglich, außerordentlich, betriebsbedingt mit sofortiger Wirkung, hilfsweise ordentlich betriebsbedingt, zum Ablauf des 31.12.2005”.

Bei der Beklagten besteht kein Betriebsrat. Mit Antragsschrift vom 22.08.2005 beantragte der Kläger zusammen mit der „Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Bezirk München, vertreten durch O., Gewerkschaftssekretärin sowie A., Gewerkschaftssekretär” beim Arbeitsgericht München den Erlass einer einstweiligen Verfügung (26 BVGa 42/05). Antragsziel war die gerichtliche Bestellung eines Wahlvorstandes zur Durchführung einer Betriebsratswahl im Betrieb der Beklagten. Als Wahlvorstandsmitglieder waren in der Antragsschrift namentlich benannt der Kläger, Frau O. und Herr A.. Die Antragsschrift war unterschrieben vom Kläger sowie von Frau O. und Herrn A..

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wurde vom Arbeitsgericht München mit Beschluss vom 01.09.2005 abgewiesen. Die Beschwerden der Antragssteller hiergegen wies das Landesarbeitsgericht München mit Beschluss vom 15.02.2006 (5 TaBV 71/05) zurück und führte zur Begründung unter anderem aus, der Kläger sei allein nicht antragsberechtigt und der Bezirk München der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft sei nicht beteiligtenfähig, da nicht ersichtlich sei, dass der Bezirk körperschaftlich organisiert und gegenüber der Gesamtorganisation weitgehend selbständig sei.

In einem weiteren mit Schriftsatz vom 23.08.2005 beim Arbeitsgericht München eingeleiteten Beschlussverfahren, ebenfalls mit dem Antragsziel, einen Wahlvorstand gerichtlich zu bestellen, mit identisch bezeichneten Antragstellern, nahm ver.di den Antrag zurück.

Bei der pp. GmbH & Co. OHG wurde in den Geschäftsbereichen „pp-1” und „pp-2” im Frühjahr 2005 jeweils die Neuwahl des Betriebsrates eingeleitet. Mit Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 13.04.2006 beantragte der Kläger das Wählerverzeichnis des Wahlausschreibens...

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