Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit einer erneuten Versetzung ohne vorherige Rückversetzung des Arbeitnehmers. Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu einer Versetzung. Unbeachtlichkeit einer noch fehlenden Ausschreibung für Zustimmungsersetzung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Verpflichtung zur Aufhebung einer Versetzung hindert den Arbeitgeber nicht, eine erneute, diesmal mitbestimmungskonforme Versetzung vorzunehmen. Einer vorherigen tatsächlichen "Rückversetzung" des Arbeitnehmers bedarf es dabei nicht, wenn der Arbeitgeber die neue Versetzung aus dringenden sachlichen Gründen vorläufig durchführt.

2. Die zunächst fehlende Ausschreibung der Stelle hindert die Ersetzung der Zustimmung zu einer Versetzung dann nicht, wenn der Arbeitgeber die personelle Maßnahme nur vorläufig durchführt, die Ausschreibung vor Schluss der Anhörung vor dem Landesarbeitsgericht nachgeholt hat und sich kein weiterer Bewerber gemeldet hat (im Anschluss an LAG Berlin, Beschluss vom 26. September 2003 - 6 TaBV 609/03 und 633/03 sowie LAG Köln, Beschluss vom 14. September 2012 - 5 TaBV 18/12).

 

Normenkette

BetrVG § 99 Abs. 2, 4, § 101 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Siegburg (Entscheidung vom 05.08.2020; Aktenzeichen 3 BV 4/20)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 11.10.2022; Aktenzeichen 1 ABR 18/21)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Siegburg vom 05.08.2020 - 3 BV 4/20 - abgeändert.

    Die Zustimmung des Betriebsrats zu der Versetzung des Arbeitnehmers F N von der Abteilung Zielgruppenintelligenz (alt) in die neue Abteilung Quality Services Dialogmarketing als Abteilungsleiter wird ersetzt.

    Es wird festgestellt, dass die vorläufige Durchführung der Versetzung aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.

  • II.

    Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten zuletzt noch über die Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung zur Versetzung des Arbeitnehmers F N sowie über die dringende Erforderlichkeit dieser Personalmaßnahme.

Die Arbeitgeberin ist ein auf Dialogmarketing, Adress- und Datenmanagement spezialisiertes Unternehmen im Konzern De P D Group. Im Zuge einer Umgestaltung ihrer Betriebsorganisation versetzte sie die von ihr als leitende Angestellte angesehenen Abteilungsleiter M C , F N , R P und A S auf Abteilungsleiterpositionen in anderen Abteilungen, ohne zuvor den bei ihr gebildeten Betriebsrat beteiligt zu haben. Auf Antrag des Betriebsrats verpflichtete das Arbeitsgericht Siegburg die Arbeitgeberin mit Beschluss vom 13.06.2019, die Versetzungen aufzuheben. Gegen diesen Beschluss legte die Arbeitgeberin Beschwerde bei dem Landesarbeitsgericht ein.

Mit jeweiligen Schreiben vom 10.01.2020 unterrichtete die Arbeitgeberin den Betriebsrat darüber, dass sie die Versetzungen zurücknehme und ihn, den Betriebsrat, vor der von ihr beabsichtigten erneuten Versetzung mit der Bitte um Zustimmung beteilige. Zugleich unterrichtete sie den Betriebsrat über die von ihr beabsichtigte Neuversetzung der Abteilungsleiter/innen sowie über die vorläufige Durchführung dieser personalen Maßnahme.

Mit Schreiben vom 14.01.2020 rügte der Betriebsrat, dass auf diese Weise die betriebsverfassungswidrigen Versetzungen aufrecht erhalten blieben und so rechtsmissbräuchlich versucht werde, seine Rechte auszuhebeln. Zudem verweigerte der Betriebsrat die Erteilung seiner Zustimmungen und begründete dies damit,

- dass die Arbeitgeberin die Stellen entgegen seinem Verlangen nicht ausgeschrieben habe und dadurch den im Zuge der Neuorganisation zu Teamleitern degradierten Arbeitnehmern An E , L W , G Gö und B J die Möglichkeit genommen worden sei, sich auf die Abteilungsleiterstellen zu bewerben,

- die Betriebsratsmitglieder E , Gö und J damit zugleich unzulässig benachteiligt würden,

- dass die Arbeitgeberin nicht geprüft habe, ob die Stellen mit Teilzeitbeschäftigten zu besetzen seien,

- und dass den Versetzungen offensichtlich nicht mitbestimmte Auswahlrichtlinien zu Grunde gelegen hätten und

- dass die Arbeitgeberin ihre Pflichten nach § 164 SGB IX nicht erfüllt habe.

Ferner bestritt der Betriebsrat die dringende Erforderlichkeit der vorläufigen Maßnahmen.

Mit ihrer am 17.01.2020 bei dem Arbeitsgericht Siegburg eingereichten Antragsschrift hat die Arbeitgeberin die Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung zu den neuen Versetzungen sowie die Feststellung begehrt, dass diese Versetzungen aus sachlichen Gründen dringend erforderlich gewesen seien.

Am 26.06.2020 schrieb die Arbeitgeberin die Stellen intern aus.

Im Hinblick auf die Rücknahme der ursprünglichen Versetzungen erklärten die Beteiligten in dem von der Arbeitgeberseite gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 13.06.2019 eingeleiteten Beschwerdeverfahren, in dem es um die vom Betriebsrat verlangte Aufhebung der Versetzungen ging, das dem Beschwerdeverfahren zu Grunde liegende Beschlussverfahren für erledigt.

Die Arbeitgeberin hat im vorliegenden Verfahren das Bestehen von Zustimmungsverweigerungsgründen bestritten und behauptet,...

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