Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsweg für Streitigkeiten über die Wirksamkeit eines Vertrages über eine Fortbildung in Vollzeit durch das Schulungsunternehmen

 

Leitsatz (amtlich)

Der Teilnehmer einer Fortbildung zum Sprach- und Integrationsmittler in Vollzeit ist ein zu seiner Berufsausbildung Beschäftigter iSd. § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG. Der Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer von dem Schulungsunternehmen ausgesprochenen Kündigung des Vertrages fällt in die Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen.

 

Normenkette

ArbGG § 5 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 11.09.2019; Aktenzeichen 7 Ca 3380/19)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den die Zulässigkeit des Rechtswegs feststellenden Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 11.09.2019 - 7 Ca 3380/19 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Die Beklagte bietet als Bildungsträger zertifizierte Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen mit dem Schwerpunkt der Interkulturalität an. Dazu gehört eine zwölfmonatige Vollzeitfortbildung zum Sprach- und Integrationsmittler. Die Lehrgangsgebühren können über Bildungsgutscheine von der Bundesagentur für Arbeit oder dem Jobcenter oder von anderen Trägern wie z.B. den Berufsgenossenschaften oder Rentenversicherungsträgern finanziert werden. Ebenso ist eine Teilnahme auch als Selbstzahler möglich.

Der 19 in geborene Kläger reiste 2014 als Bürgerkriegsflüchtling in die Bundesrepublik Deutschland ein. Im Spätsommer 2018 wurde er über die Agentur für Arbeit zu der Beklagten vermittelt. Er schloss mit ihr am 23.08.2018 einen Teilnehmervertrag über die Fortbildung zum Sprach- und Integrationsmittler in Vollzeit ab. Die Bildungsmaßnahme begann am 03.09.2018 und sollte am 02.09.2019 enden. Gemäß § 3.1 des Vertrages verpflichtete sich der Kläger ua. zur regelmäßigen Teilnahme am Unterricht und dazu, bei Erkrankungen innerhalb von drei Tagen eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, ausgestellt am ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit, vorzulegen. Bei auftretenden Schwierigkeiten oder in Konfliktsituationen war die Beklagte berechtigt, Konfliktlösungsstrategien vorzugeben. Unter § 3.2 des Vertrages behielt sich die Beklagte vor, aus von ihr nicht zu vertretenden Gründen angekündigte Lehrveranstaltungen zu verschieben, abzusagen oder inhaltlich zu ändern.

Mit Schreiben vom 12.04.2019 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung, die sie darauf stützte, dass der Kläger am 09.04.2019 in einen Vorfall involviert gewesen sei, der handgreiflich zu enden gedroht habe. Im Anschluss daran habe der Kläger nicht konstruktiv zu einer Deeskalation beigetragen. Seine zögerliche Bereitschaft, ein Mediationsgespräch mit den Konfliktparteien zu führen, habe den Schlichtungsprozess verlangsamt und die Durchführung des normalen Unterrichtsgeschehens beeinflusst.

Mit Schreiben vom 20.05.2019 kündigte die Beklagte die Teilnahme des Klägers an der Fortbildung, weil der Kläger seit dem 15.05.2019 nicht mehr am regulären Unterricht teilgenommen habe.

Mit seiner am 28.05.2019 beim Arbeitsgericht Köln eingereichten Klage macht der Kläger die Rechtsunwirksamkeit der fristlosen Kündigung und das Fortbestehen des Vertragsverhältnisses mit der Beklagten geltend.

Der Kläger ist der Auffassung, dass die Kündigung unwirksam sei. Er behauptet, von einem anderen Unterrichtsteilnehmer ernsthaft mit dem Tode bedroht worden zu sein. Aus diesem Grunde habe er den Unterricht zuletzt von einem Nebenraum aus verfolgt. Zudem sei die Kündigung kurz vor der mündlichen Prüfung und damit zur Unzeit erfolgt.

Die Beklagte rügt die fehlende Rechtswegzuständigkeit und ist der Auffassung, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht eröffnet sei.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 11.09.2019 den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für zulässig erklärt und dies damit begründet, dass der Kläger bei der Beklagten zu seiner Berufsausbildung beschäftigt sei. Die vertragliche Gestaltung normiere eine vom Kläger geschuldete Lernpflicht und weise eine Nähe zu regulären Arbeitsverhältnissen auf.

Der Beschluss ist der Beklagten am 20.09.2019 zugestellt worden. Ihre dagegen gerichtete sofortige Beschwerde ist am 30.09.2019 bei dem Arbeitsgericht eingegangen.

Die Beklagte hält die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen nicht für gegeben. Von einer Beschäftigung des Klägers zur Berufsausbildung könne nicht ausgegangen werden. Die Tätigkeit des Klägers habe für sie keinerlei wirtschaftlichen Wert. Die vertraglichen Pflichten des Klägers als Auszubildendem seien aufgrund der Förderung durch die öffentliche Hand und die Stärkung des Eigeninteresses der Teilnehmer an einem erfolgreichen Abschluss der Lehrgänge ausgestaltet und bestünden de facto nicht ihr, sondern der Agentur für Arbeit gegenüber. Sie, die Beklagte, müsse als Träger der Fortbildung sicherstellen, dass die Teilnehmer die Maßnahme ernsthaft durchführen. Darauf würden die Anwesenheitspflicht bei Unterricht und Prüfungen, die Pflicht zur Vorlage eines ärztlichen Attestes be...

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