Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf erweitertes Führungszeugnis. Informationsinteressen des Arbeitgebers. Kontakt zu Minderjährigen. Tätigkeit in einer Mitarbeitervertretung oder Betriebsrat und minderjährige Mitarbeiter

 

Leitsatz (amtlich)

1. Aus § 241 Abs. 2 BGB kann sich die Verpflichtung eines Arbeitnehmers ergeben, seinem Arbeitgeber ein erweitertes Führungszeugnis nach § 30a BRZG vorzulegen.

2. Bei der Frage, ob ein erweitertes Führungszeugnis durch den Arbeitnehmer vorzulegen ist, sind die Informationsinteressen des Arbeitgebers und die Schutzinteressen des Arbeitnehmers bezogen auf seine persönlichen Daten gegeneinander abzuwägen.

3. Soweit die Voraussetzungen des § 30a Abs. 1 Ziffer 1 oder 2 BRZG erfüllt sind, ergibt sich regelmäßig ein Recht des Arbeitgebers auf Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses durch den Arbeitnehmer. Soweit die Voraussetzungen des § 30a BRZG dagegen nicht erfüllt sind, wird der Arbeitgeber in der Regel die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses nicht verlangen können.

4. Eine Vorlageverpflichtung auf der Grundlage des § 30a Abs. 1 Ziffer 2c BRZG erfordert einen Kontakt des Arbeitnehmers zu Minderjährigen, der zu einer besonderen Gefahrensituation werden kann.

5. Bei der Einschätzung der Frage, ob eine besondere Gefahrensituation entstehen kann, steht dem Arbeitgeber ein Beurteilungsspielraum zu.

6. Die bloße Möglichkeit, dass ein Arbeitnehmer zukünftig mit minderjährigen Klienten, Praktikanten oder Auszubildenden in Kontakt treten könnte, rechtfertigt die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses regelmäßig nicht.

7. Die Tätigkeit in einer Mitarbeitervertretung oder einem Betriebsrat führt auch dann, wenn in einem Betrieb minderjährige Mitarbeiter beschäftigt werden, in aller Regel nicht zu einer besonderen Gefahrensituation, die die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses rechtfertigen könnte.

 

Normenkette

BZRG § 30a; BGB § 241 Abs. 2; JuSchG § 8; JArbSchG § 25

 

Verfahrensgang

ArbG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 13.11.2013; Aktenzeichen 3 Ca 1425/13)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 13.11.2013, 3 Ca 1425/13 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit von zwei Abmahnungen.

Die Klägerin ist 1954 geboren. Sie war zunächst ab dem 01.10.1994 im Rahmen eines befristeten Dienstvertrags (Bl. 179 ff. d.A.) bei dem Beklagten als Berufspraktikantin tätig. Seit dem 01.10.1995 ist die Klägerin als Altenpflegerin bei dem Beklagten beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist ein schriftlicher Dienstvertrag vom 01.10.1995 (Bl. 176 ff. d.A.). Die monatliche Bruttovergütung der Klägerin beläuft sich auf 3.558,00 €.

Der Beklagte war seit dem Jahre 1970 korporatives Mitglied im Caritas-Verband der Stadt H e.V. und über diesen dem Deutschen Caritasverband e.V. in Freiburg angeschlossen. Bei dem Beklagten handelte es sich insofern um eine caritative Einrichtung der katholischen Kirche.

Zweck des Beklagten ist nach § 2 Abs. 2 der Vereinssatzung die Förderung der Hilfe für Menschen mit Behinderungen, der Altenhilfe, der Kinder- und Jugendhilfe, der Erziehung, der Volks- und Berufsbildung und des Wohlfahrtswesens sowie die selbstlose Unterstützung hilfsbedürftiger Personen, die infolge ihres körperlichen oder geistigen Zustandes auf die Hilfe anderer angewiesen sind. Zur Erfüllung dieses Zwecks erbringt der Beklagte personenzentrierte Dienstleistungen, damit Menschen mit Behinderungen, Erkrankungen und sozialen Schwierigkeiten selbstbestimmt leben können und ihnen somit eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht wird. Der Beklagte begleitet und betreut Menschen mit Assistenzbedarf in Nordrhein-Westfalen und bietet ihnen Angebote in den Bereichen Wohnen und Leben, Arbeit und Beschäftigung, Alltag und Freizeit an. Er betreibt in verschiedenen Regionen Nordrhein-Westfalens Behindertenheime, Außenwohnungen, Einrichtungen der tagesstrukturierten Arbeit und Beschäftigung für Menschen mit geistigen Behinderungen. Der Beklagte betreibt staatlich anerkannte Werkstätten für Behinderte, Menschen mit autistischer Behinderung sowie ambulante Dienste für betreutes Wohnen und allgemeine und psychiatrische Pflegedienste.

Die Klägerin wird bei dem Beklagten seit dem Jahr 2007 im Haus B in H eingesetzt. Es handelt sich um ein Haus mit sechs Wohngruppen zu je vier Bewohnern. Bei den Bewohnern handelt es sich um psychisch kranke Menschen im Alter von über 35 Jahren.

Das Haus B ist eine stationäre Einrichtung des Wohnverbundes Q. Der Wohnverbund Q bietet Lebensraum für erwachsene Menschen, die aufgrund psychischer Erkrankung auf umfassende Hilfen angewiesen sind. Zu dem Wohnverbund Q zählen im Übrigen das Haus 13/18, das Haus 38 sowie die Außenwohnungsbereiche. Die einzelnen Bereiche des Wohnverbundes Q liegen verteilt in H. Zwischen dem Haus am B und dem Haus 13/18 liegt eine Entfernung von mehreren Kilometern.

Bei dem Beklag...

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