Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung von Verträgen. Schlüssige Darlegung der geleisteten Überstunden im Prozess. Erfassung etwaiger Überstundenvergütung durch unwiderrufliche Freistellung von der Arbeit im gerichtlich protokollierten Vergleich

 

Leitsatz (amtlich)

Regeln die Parteien in einem gerichtlich protokollierten Vergleich, der die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach Ausspruch einer Kündigung zum Gegenstand hat, dass der klagende Arbeitnehmer unwiderruflich unter Fortzahlung der Vergütung sowie unter Anrechnung auf etwaig noch offene Urlaubs- und Freizeitausgleichsansprüche bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses freigestellt wird, werden in einem weiten Verständnis des Begriffs "Freizeitausgleichsansprüche" auch etwaige Ansprüche auf Überstundenvergütung erfasst.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Verträge sind nach den §§ 133, 157 BGB so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Auszugehen ist dabei vom Wortlaut, wobei zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen sind, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärungen zulassen.

2. Seiner Darlegungslast entspricht der Arbeitnehmer, wenn er vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat. Dabei genügt der Arbeitnehmer seiner Vortragslast, zu bestimmten Zeiten gearbeitet zu haben, wenn er behauptet, regelmäßig zugleich während der genannten Zeiten die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbracht zu haben.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157, 779, 611a, 364; ZPO § 322

 

Verfahrensgang

ArbG Paderborn (Entscheidung vom 20.12.2022; Aktenzeichen 1 Ca 1101-21)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das, Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 20.12.2022 - 1 Ca 1101/21 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten, soweit für das Berufungsverfahren noch von Bedeutung, Zahlung von Überstunden.

Die Parteien waren ausweislich eines Arbeitsvertrages vom 22.01.2004 seit dem 01.02.2004 verbunden. Der Kläger war als Markleiter bei einem Bruttomonatsdienst in Höhe von 4.000 € für die Beklagte tätig, die mehrere Verbrauchermärkte betreibt. Das Arbeitsverhältnis endete auf der Grundlage eines gerichtlichen Vergleiches vor dem Arbeitsgericht Paderborn vom 04.10.2021 mit Ablauf des 30.06.2022. Die Beendigung knüpfte an eine betriebsbedingte Kündigung vom 19.08.2021 an. Ausweislich der Regelung in Ziffer 4) des Vergleichs hielten die Parteien fest:

Der Kläger wird unwiderruflich unter Fortzahlung der Vergütung sowie unter Anrechnung auf etwaig noch offene Urlaubs- und Freizeitausgleichsansprüche bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses freigestellt. Die Freistellung gilt für den gesamten noch folgenden Zeitraum vom 10.09.2021 bis zum 30.06.2022.

Eine Erledigungsklausel nahmen die Parteien in den gerichtlichen Vergleich nicht auf. Im Rahmen der schriftlichen Kommunikation um den Inhalt des Vergleichs teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten unter dem 10.09.2021 mit, eine Erledigungsklausel solle in Anbetracht des noch laufenden Arbeitsverhältnisses nicht vereinbart werden.

Die wöchentliche Arbeitszeit des Klägers belief sich auf 37,5 Stunden. Der Kläger legte die Dauer der täglichen Arbeit in unterschiedlichem Umfang flexibel fest. Die geleisteten Arbeitszeiten des Klägers wurden mittels des Programms "ATOSS" in Form eines Schichtplans ausgewiesen. Die arbeitstäglichen Schichtzeiten des Klägers hielt für diesen die ihm unterstelle Mitarbeiterin A. fest. Mit Ausnahme des Marktleiters - also des Klägers - nutzten alle anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Markt der Beklagten einen Transponderchip, um die Arbeitszeiten konkret elektronisch zu erfassen, die zuvor für sie über das Programm ATOSS als Sollarbeitszeit in Form von Schichtplänen festgelegt worden waren.

Einem vom Kläger gefertigten Ausdruck des Schichtplans für das Jahr 2020 kann entnommen werden, dass die sich bei einer Sechstagewoche und einem arbeitstäglichen Volumen von 6,25 Stunden ergebende Jahresgesamtarbeitszeit um 334,2 Stunden überschritten wurde. Für die Zeit vom 01.01.2021 bis zum 31.07.2021 überschreiten die im Schichtplan, der für den Kläger angelegt war, angegebenen Stunden das geschuldete Arbeitsvolumen um 219 Stunden. Auf die mittels ATOSS festgehaltenen Daten konnte sowohl die Beklagte wie auch der Gebietsleiter B. , der Vorgesetzte des Klägers, zugreifen. Mit seiner Klage fordert der Kläger, soweit für das Berufungsverfahren von Bedeutung, Abgeltung von insgesamt 553,20 Überstunden bei einem Stundenverdienst von 24,62 €.

Der Kläger hat behauptet, die Beklagte habe zum Teil in elektronischen Nachrichten auf die in ATOSS ausgewiesenen Arbeitszeiten Bezug genommen. Der Beklagten sei bekannt, dass er als Marktleiter an sechs Tagen seine Arbeitsleistung...

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