Entscheidungsstichwort (Thema)

Klageverzicht. Vereinbarung eines Klageverzichts. Formbedürftigkeit einer Klageverzichtsvereinbarung. Widerrufsrecht des Arbeitnehmers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Formbedürftigkeit (§ 623 BGB) einer Vereinbarung über Klageverzicht und Abfindungszahlung im Anschluss an eine formwirksame arbeitgeberseitige Kündigung bei anschließendem Streit um die Wirksamkeit der Kündigung: hier verneint

2. Kein Widerrufsrecht nach §§ 312, 355 BGB bei einer solchen Vereinbarung

 

Normenkette

BGB §§ 312, 623, 355

 

Verfahrensgang

ArbG Siegen (Urteil vom 27.02.2003; Aktenzeichen 3 Ca 1889/02)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 27.02.2003 – 3 Ca 1889/02 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen Kündigung, nachdem der klagende Arbeitnehmer nach Aushändigung der Kündigung eine schriftliche Erklärung unterzeichnet hatte, den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den 31.12.2002 hinaus nicht geltend zu machen.

Der am 01.06.1951 geborene Kläger ist verheiratet und einem Kind unterhaltspflichtig. Seit dem 19.10.1992 arbeitete der Kläger als Monteur bei der Beklagten. Das Bruttomonatsentgelt betrug rd. 2.800,00 EUR. Ende September 2002 entschloss sich die Beklagte zum Ausspruch zweier betriebsbedingter Kündigungen. Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt arbeitsunfähig erkrankt. Der Geschäftsführer der Beklagten suchte den Kläger am 30.09.2002 zu Hause auf. Er händigte dem Kläger die schriftliche Kündigung vom 30.09.2002 zum 31.12.2002 aus. Der Geschäftsführer der Beklagten erläuterte seine Kündigungsgründe. Der Kläger unterzeichnete den auf dem Kündigungsschreiben rechts neben der Unterschrift des Geschäftsführers angebrachten Vermerk „erhalten am 30.09.2002”. Des weiteren unterschrieb der Kläger den gesondert mittig unter das Kündigungsschreiben gesetzten Text „den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den 31.12.2002 hinaus werde ich nicht geltend machen.” Im maschinenschriftlichen Text stand zunächst das Datum „30.11.2002”, dies fiel dem Kläger auf, das Datum wurde dann einvernehmlich handschriftlich in „31.12.2002” korrigiert (Kopie des Kündigungsschreibens mit sämtlichen Unterschriften Bl. 68 d.A., Kopie des Zweitexemplars ohne die Unterschriften des Klägers Bl. 3 d. A.). Im Gegenzug überreichte der Geschäftsführer der Beklagten dem Kläger ein Schreiben, in dem die Beklagte dem Kläger die Zahlung einer Abfindung von 5.000,00 EUR zusagte (Kopie dieses Schreibens Bl. 67 d.A.). Mit Anwaltsschreiben vom 09.10.2002 erklärte der Kläger Anfechtung und Widerruf seiner Erklärung vom 30.09.2002. Die Kündigungsschutzklage gleichen Datums ist am 10.10.2002 bei dem Arbeitsgericht eingegangen.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, er habe seine Erklärung unter dem Schreiben vom 30. September 2002 wirksam angefochten bzw. widerrufen. Die ausgesprochene Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Der Kläger hat behauptet, er habe an dem fraglichen Nachmittag seine Lesebrille nicht zur Hand gehabt. Der Geschäftsführer der Beklagten habe ihm deshalb den Text vorgelesen. Dabei habe der Geschäftsführer den entscheidenden Satz betreffend den Klageverzicht nicht vorgelesen. Richtig sei, dass ihm später selbst aufgefallen sei, dass das Datum des Klageverzichts nicht mit der Kündigungsfrist übereinstimme. Die handschriftliche Änderung der Zahlen sei jedoch erst nach der Unterschriftsleistung erfolgt. Er habe zwar die unterschiedlichen Enddaten gesehen, nicht jedoch die Bedeutung des unterschriebenen Klageverzichts verstanden.

Der Kläger hat beantragt,

  1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung vom 30.09.2002 aufgelöst worden ist,
  2. die Beklagte zu verurteilen, ihn über den Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Monteur weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, der Kläger habe das Kündigungsschreiben nebst zugehörigem Klageverzicht selbst durchgelesen und auch verstanden. Nur deshalb habe dem Kläger auch auffallen können, dass das Datum im Klageverzicht unzutreffend sei.

Das Arbeitsgericht hat die Klage nach Anhörung des Klägers und Vernehmung des Geschäftsführers der Beklagten als Partei (Protokoll Bl. 33, 34 d.A.) durch Urteil vom 27.02.2003 als unbegründet abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat das Arbeitsgericht ausgeführt, wegen des wirksam abgeschlossenen Verzichtsvertrages sei die Kündigungsschutzklage unbegründet. Der Verzichtsvertrag sei nicht wirksam angefochten worden, ein Widerrufsrecht bestehe nicht. Ein Anfechtungsgrund sei von dem Kläger nicht bewiesen worden. Vielmehr habe der als Partei vernommene Geschäftsführer in Übereinstimmung mit seinem Prozessvorbringen ausgesagt, dass der Kläger selbst das Kündigungsschreiben und den Klageverzicht gelesen habe, bevor er unterschrieben...

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