Entscheidungsstichwort (Thema)

Darlegungs- und Beweislast bei Kündigung aufgrund eines Interessenausgleichs mit Namensliste – Sozialauswahl über einen Interessenausgleich mit Namensliste

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ist im Zeitraum vom 01.10.1996 bis 31.12.1998 eine Kündigung aufgrund eines Interessenausgleichs mit Namensliste ausgesprochen worden, dann beschränkt sich die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers auf die „Vermutungsbasis” (im Anschluß an LAG Köln, Urt. v. 01.08.1997 – 11 Sa 355/97, LAGE § 1 KSchG Interessenausgleich Nr. 1), nämlich auf die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschriften des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG a.F. [1996]. Der Arbeitgeber muß mithin darlegen:

  • • daß der Interessenausgleich wegen einer bestimmten Betriebsänderung rechtswirksam zustande gekommen ist,
  • • daß der Arbeitnehmer wegen der diesem Interessenausgleich zugrunde liegenden Betriebsänderung entlassen worden ist,
  • • ggf., daß der Arbeitnehmer einem bestimmten Betrieb oder Betriebsteil zugeordnet worden ist;
  • • daß der gekündigte Arbeitnehmer in diesem Interessenausgleich namentlich bezeichnet ist.

2. Die Vermutungswirkungen eines Interessenausgleichs mit namentlicher Benennung der zu kündigenden Arbeitnehmer gelten nicht, wenn die Arbeitnehmer nicht aufgrund der dem Interessenausgleich zugrunde liegenden Betriebsänderung, sondern aufgrund anderer betrieblicher Gründe entlassen werden sollen. Deshalb ist es Sache des Arbeitgebers, den Zusammenhang zwischen der Betriebsänderung und den Entlassungen darzulegen. Dies kann bereits im Interessenausgleich selbst geschehen, wenn dort das Sanierungskonzept und seine Folgewirkungen auf die Arbeitsplätze kurz dargestellt werden. Das ist insbesondere bei einer Teileinschränkung eines Betriebes notwendig, die sich in Form eines bloßen Personalabbaus ohne Verringerung der sächlichen Betriebsmittel in der Größenordnung der Zahlen- und Prozentangaben des § 17 Abs. 1 KSchG, aber mindestens 5 % der Belegschaft des Betriebes, vollzieht.

3. Bei Zustandekommen eines Interessenausgleichs mit Namensliste kehrt sich im Kündigungsschutzprozeß, in dem der Arbeitgeber im allgemeinen gem. § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG für das Vorliegen von dringenden betrieblichen Erfordernissen darlegungs- und beweispflichtig ist, die Darlegungs- und Beweislast um. Der Arbeitnehmer muß den bei widerleglichen Vermutungen i. S.v. § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 292 Satz 1 ZPO offenen Beweis des Gegenteils als Hauptbeweis führen und im Falle der Beendigungskündigung nachweisen,

  • • daß sein Arbeitsplatz trotz der durchgeführten Betriebsänderung noch vorhanden ist
  • • oder eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb desselben Unternehmens besteht.

4. In beiden Fällen kann der Arbeitnehmer bei Zustandekommen eines Interessenausgleichs mit Namensliste der Kündigung auch mit dem Vortrag begegnen, daß

  • • die Betriebsänderung nicht wie geplant und im Interessenausgleich zugrunde gelegt durchgeführt wird oder
  • • sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat (§ 1 Abs. 5 Satz 3 KSchG a.F. [1996]).

Verbleibende Zweifel in einem der vorgenannten Punkte gehen zu Lasten des Arbeitnehmers. An seinen Vortrag sind die gleichen Maßstäbe anzulegen, die die Rechtsprechung für die Substantiierung des Arbeitgebervorbringens zum Vorliegen eines dringenden betrieblichen Erfordernisses im Rahmen von § 1 Abs. 2 Satz 1 und 4 KSchG aufgestellt hat.

5. Bei Zustandekommen eines Interessenausgleichs mit Namensliste kann die soziale Auswahl nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden (§ 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG a.F. [1996]). Die Beschränkung der Überprüfung der getroffenen Sozialauswahl bezieht sich nicht allein auf die Sozialindikatoren, nämlich die sog. sozialen „Grund- oder Kerndaten” Betriebszugehörigkeit, Lebensalter und Unterhaltspflichten, sondern bezieht sich auf sämtliche Bestandteile der Sozialauswahl, nämlich auf den auswahlrelevanten Personenkreis, die Nichteinbeziehung von Arbeitnehmern, die Bildung von Altersgruppen und die Gewichtung der sozialen Grund- oder Kerndaten.

6. Grobe Fehlerhaftigkeit i.S.d. § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG a.F. [1996] ist bei einem Interessenausgleich mit Namensliste anzunehmen, wenn die Betriebspartner

  • • den auswahlrelevanten Personenkreis der austauschbaren und damit vergleichbaren Arbeitnehmer willkürlich bestimmt oder nach unsachlichen Gesichtspunkten eingegrenzt haben,
  • • die erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen der herauszunehmenden Arbeitnehmer nicht nach sachlichen Gesichtspunkten konkretisiert haben,
  • • Altersgruppen, innerhalb derer die Sozialauswahl durchgeführt werden soll, in völlig wahllos aufeinander folgenden Zeitsprüngen (bspw. wechselnd in 12er, 8er und 10er Jahresschritten) gebildet haben,
  • • eines der drei Sozialdaten überhaupt nicht berücksichtigt oder ihm ein völlig ungenügendes Gewicht oder zusätzlichen Auswahlkriterien eine überhöhte Bewertung beigemessen haben.

7. Die Darlegungs- und Beweislast für die Fehlerhaft...

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