Entscheidungsstichwort (Thema)

Einrichtung einer Einigungsstelle. offensichtliche Unzuständigkeit. ausreichende vorherige Verhandlungen. Mitbestimmung bei Maßnahmen der Berufsbildung und beim Gesundheitsschutz. Zahl der Beisitzer

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Rahmen der Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Berufsbildung ist der Begriff der Maßnahme im Sinne des § 97 Abs. 2 BetrVG weit zu verstehen. Das Mitbestimmungsrecht des § 97 Abs. 2 BetrVG ist nicht eng auf enumerativ genannte Sachverhalte beschränkt, sondern soll dann umfassend gewährleistet werden, wenn durch ein gestaltendes Tätigwerden des Arbeitgebers eine Diskrepanz zwischen seinen Anforderungen und dem Ausbildungsstand der Arbeitnehmer entsteht oder zu entstehen droht (im Anschluss an LAG Hamm, 08.11.2002 – 10 (13) TaBV 59/02NZA-RR 2003, 543).

2. Zur Regelbesetzung einer Einigungsstelle, Zahl der Beisitzer.

 

Normenkette

ArbGG § 98; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 7, § 97 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Bocholt (Beschluss vom 05.12.2008; Aktenzeichen 1 BV 17/08)

 

Tenor

Die Beschwerde des Betriebsrats und die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bocholt vom 05.12.2008 – 1 BV 17/08 – werden zurückgewiesen.

 

Tatbestand

A

Die Beteiligten streiten um die Einrichtung einer Einigungsstelle.

Die Arbeitgeberin ist im Jahre 2005 aus einer Fusion der V2 in C1 und B5 hervorgegangen. Sie beschäftigt derzeit ca. 450 Arbeitnehmer/innen. Diese verteilen sich auf vier sogenannte Kompetenzzentren in C1, B5, S5 und D3 sowie auf insgesamt ca. 23 Filialen/Geschäftsstellen.

Antragsteller des vorliegenden Verfahrens ist der im Betrieb der Arbeitgeberin gewählte Betriebsrat.

In den letzten Jahren kam aufgrund des sich allgemein im Bankenbereich festzustellenden Strukturwandels dem Vertrieb von Produkten auch bei der Arbeitgeberin eine immer größere Bedeutung zu. Dieser Prozess wurde von der Arbeitgeberseite hausintern mit der Formulierung beschreiben: „Weg von der Bestandsbank hin zur Vertriebsbank”.

Mit Schreiben vom 29.07.2008 (Bl. 5 d.A.) überreichte der Betriebsrat der Arbeitgeberin einen Entwurf einer Betriebsvereinbarung (Bl. 6 ff. d.A.) und bezog sich dabei auf sein Mitbestimmungsrecht bei beruflicher Fortbildung nach § 97 Abs. 2 BetrVG sowie auf sein Mitbestimmungsrecht beim Gesundheitsschutz gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Der Betriebsrat bat darum, die Betriebsvereinbarung möglichst bis zum 12.08.2008 abzuschließen; falls dies nicht erfolge, möge die Arbeitgeberin der Einrichtung einer Einigungsstelle zustimmen.

Die Arbeitgeberin teilte dem Betriebsrat mit Schreiben vom 04.08.2008 (Bl. 9 d.A.) mit, dass man die Bildung einer Arbeitsgruppe vorschlage. Diesen Vorschlag griff der Betriebsrat auf und bat mit Schreiben vom 11.08.2008 (Bl. 10 d.A.) um einen kurzfristigen Terminvorschlag. In einem anderen Zusammenhang teilte der Betriebsratsvorsitzende der Personalabteilung der Arbeitgeberin mit E-Mail vom 19.08.2008 (Bl. 34 d.A.) mit, dass für eine Diskussion des arbeitgeberseitig vorgelegten Entwurfs einer Betriebsvereinbarung „Potentialanalyse” kein Raum bestünde, da der Betriebsrat sich an die Reihenfolge der noch zu verhandelnden Betriebsvereinbarungen halte.

Zu einem Termin zwischen dem Betriebsrat und der Arbeitgeberin wegen des vom Betriebsrat vorgelegten Entwurfs einer Betriebsvereinbarung zu Maßnahmen der Berufsbildung und Maßnahmen des Gesundheitsschutzes kam es in der Folgezeit nicht. Mit Schreiben vom 27.08.2008 (Bl. 12 d.A.) teilte der Betriebsrat der Arbeitgeberin daraufhin mit, dass beabsichtigt sei, die Einigungsstelle durch das Arbeitsgericht einrichten zu lassen. Daraufhin erklärte die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 28.08.2008 (Bl. 13 d.A.), dass sie sich eine andere Reihenfolge der noch zu verhandelnden Betriebsvereinbarungen vorstelle.

Der Betriebsrat leitete daraufhin am 12.09.2008 das vorliegende Beschlussverfahren beim Arbeitsgericht ein.

Im Anhörungstermin vor dem Arbeitsgericht vom 30.09.2008 einigten sich die Beteiligten darauf, dass Thema zunächst innerbetrieblich in einer Arbeitsgruppe zu diskutieren, wobei die Gespräche innerhalb der nächsten sechs bis acht Wochen stattfinden sollten. Am 05.11.2008 fand daraufhin eine Arbeitsgruppensitzung statt, die ohne Ergebnis blieb. Der Betriebsrat nahm daraufhin das vorliegende Verfahren wieder auf.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die begehrte Einigungsstelle sei nicht offensichtlich unzuständig. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ergebe sich aus den §§ 97 Abs. 2, 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Während früher die Bedienung von Kunden im Vordergrund gestanden habe, werde nunmehr aufgrund des im Bankenbereich festzustellenden Strukturwandels zunehmend zum „aktiven Verkauf” übergegangen. Dieser Strukturwandel sei eine Maßnahme im Sinne des § 97 Abs. 2 BetrVG, die dazu führe, dass sich die Tätigkeit der betroffenen Arbeitnehmer (Vertriebsmitarbeiter) ändere und ihre beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr ausreichten. Zwar könnten die betroffenen Arb...

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