Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche Probezeitkündigung eines Ausbildungsverhältnisses. Nichtberücksichtigung der sozialrechtlichen Einstiegsqualifizierung bei der Berechnung der Probezeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Einstiegsqualifizierung im Sinne des § 54 a SGB III handelt es sich um ein Ausbildungsverhältnis eigener Art, das weder ein Arbeitsverhältnis noch ein Berufsausbildungsverhältnis darstellt. Es liegt ein anderes Vertragsverhältnis im Sinne von § 26 BBiG vor.

2. Weder die Einstiegsqualifizierung noch eine in der Einstiegsqualifizierung absolvierte Probezeit von zwei Monaten sind auf die Probezeit der Berufsausbildung anzurechnen.

 

Normenkette

BBiG § 15 Abs. 1, §§ 20, 22 Abs. 1, § 26; SGB III § 54a

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 26.04.2015; Aktenzeichen 15 Ca 45/15)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 26. April 2015 - 15 Ca 45/15 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten aufgrund bei Gericht am 27.01.2015 eingegangener Klage über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung eines Ausbildungsverhältnisses innerhalb der Probezeit sowie über Zahlungsansprüche.

Die am ... geborene Klägerin schloss am 09.05.2014, vertreten durch ihre Mutter, mit der Beklagten einen Berufsausbildungsvertrag zur Ausbildung als Kauffrau für Verkehrsservice mit dem Schwerpunkt "Verkauf und Service" (Anlage K 1, Bl. 6 f. d. A.). Darin war eine Ausbildungszeit vom 01.09.2014 bis zum 31.08.2017 vorgesehen. Es bestand eine Probezeit von drei Monaten. Die Ausbildungsvergütung betrug zuletzt € 754,27 brutto monatlich.

Mit Schreiben vom 19.11.2014 (Anlage K 3, Bl. 12 d. A.) kündigte die Beklagte das Ausbildungsverhältnis fristlos unter Berufung auf die Probezeit.

Den bei ihr gebildeten Betriebsrat hatte die Beklagte zuvor mit Schreiben vom 06.11.2014 (Anlage B 1, Bl. 21 f. d. A.) angehört. Das Anhörungsschreiben enthielt unter anderem Angaben über die Art der Ausbildung der Klägerin, ihre Sozialdaten und die beabsichtigte Art der Kündigung. Außerdem wurde das Fehlverhalten der Klägerin, das zur Kündigung führen sollte, beschrieben. Der Betriebsrat äußerte sich auf die Anhörung nicht.

Ein bezüglich der Kündigung vor der Handelskammer Hamburg durchgeführtes Schlichtungsverfahren endete ausweislich Niederschrift vom 14.01.2015 (Anlage K 4, Bl. 14 f. d. A.) mit folgendem Spruch: "Das Ausbildungsverhältnis besteht mangels wirksamer Kündigung fort, da eine wirksame Beteiligung des Betriebsrates zweifelhaft ist." Dieser Spruch wurde der Klägerin am 16.01.2015 zugestellt. Die Beklagte erkannte den Spruch - anders als die Klägerin - nicht innerhalb von einer Woche nach Zustellung an.

Vor Beginn ihrer Berufsausbildung hatte die Klägerin bei der Beklagten die Einstiegsqualifizierung "Chance plus" im Bereich "Gastgewerbe-Service" (Inhalte ersichtlich aus Anlage B 2, Bl. 50 f. d. A.) in der Zeit vom 01.10.2013 bis zum 31.08.2014 absolviert. Die Qualifizierung wurde auf der Grundlage von § 54 a SGB III durchgeführt und enthielt einen praktischen und einen theoretischen Teil. Für den Fall einer anschließenden Ausbildung in Berufen des Bereichs "Gastgewerbe-Service" ist nach dem der Klägerin erteilten Zertifikat über die Einstiegsqualifizierung (Anlage K 6, Bl. 34 d. A.) eine Anrechnung der Qualifizierungszeit von bis zu sechs Monaten möglich. Gemäß § 2, Nr. 2 des Qualifizierungsvertrages vom 12.09.2013 (Anlage K 2, Bl. 8 - 11 d. A.) war für die Einstiegsqualifizierung eine Probezeit von zwei Monaten vereinbart. Die Klägerin erhielt während der Qualifizierung eine Vergütung in Höhe von zunächst € 216,00 brutto und in Höhe von € 350,00 brutto monatlich ab Januar 2014 bei einer regelmäßigen wöchentlichen Qualifizierungszeit von 39 Stunden. Im praktischen Teil der Qualifizierung war die Klägerin unter anderem als so genannte Caddy-Fahrerin tätig. Hierbei bestand ihre Aufgabe darin, mit einem Verkaufswagen durch die Zugabteile zu gehen und den Fahrgästen Getränke, Snacks und andere Produkte zu verkaufen.

Die der Klägerin im Rahmen des Qualifizierungsprogramms erteilten Zeugnisse (Anlage K 7, Bl. 35 f. d. A.) enthalten neben knappen schriftlichen Bemerkungen Bewertungen in den Bereichen "Praxis" und "Theorie". Im Bereich Praxis, der ca. 43 % der Ausbildung umfasste, sind folgende Themenfelder bewertet: Fachfertigkeit, Motivation, Verlässlichkeit, Zielorientierung, Sorgfalt, Teamfähigkeit, Pünktlichkeit. Der Bereich Theorie umfasst die Themenfelder: Mathe, Englisch, Deutsch, Methoden- und Sozialkompetenz, fachliche Berufsorientierung (Anl. BA 2, Bl. 212 d.A.).

Die Klägerin hat vorgetragen, die ihr ausgesprochen Kündigung sei unwirksam. Diese sei bereits nicht schriftlich erklärt, da der Bevollmächtigte der Beklagten lediglich mit einer Paraphe, die aussehe wie eine Wellenlinie, unterschrieben habe. Ein Buchstabe lasse sich nicht erkennen.

Zudem bestreite sie die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats vor Kündigungsausspruch.

Darü...

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