Entscheidungsstichwort (Thema)

Lage der Arbeitszeit. Mitbestimmung Betriebsrat. Dienstliche Interessen. Schulungsmaßnahme. Fortbildungsmaßnahme

 

Leitsatz (amtlich)

Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei der zeitlichen Lage von im dienstlichen Interesse stehenden, vom Arbeitgeber angeordneten Schulungs- und Fortbildungsmaßnahmen – Abgrenzung zu § 98 BetrVG.

 

Normenkette

BetrVG §§ 98, 87 Abs. 1 Nrn. 2-3

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Beschluss vom 26.04.2005; Aktenzeichen 20 BV 10/04)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 15.04.2008; Aktenzeichen 1 ABR 44/07)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen der Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 26. April 2005 – 20 BV 10/04 – wie folgt abgeändert:

  1. Es wird festgestellt, dass dem Betriebsrat bei der Durchführung von im dienstlichen Interesse stehenden, vom Arbeitgeber angeordneten Schulungs- und Fortbildungsmaßnahmen ein Mitbestimmungsrecht zusteht, soweit hierbei der tägliche Beginn und das tägliche Ende der Schulungs- bzw. Fortbildungsveranstaltungen in Abweichung zur betriebsüblichen Arbeitszeit der betroffenen Arbeitnehmer festgelegt werden soll (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG) und soweit tarifvertragliche oder gesetzliche Regelungen nicht bestehen.
  2. Es wird festgestellt, dass dem Betriebsrat bei der Durchführung von im dienstlichen Interesse stehenden vom Arbeitgeber angeordneten Schulungs- und Fortbildungsveranstaltungen ein Mitbestimmungsrecht zusteht, soweit hiermit die vorübergehende Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit der betroffenen Arbeitnehmer verbunden ist (§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG) und soweit tarifvertragliche oder gesetzliche Regelungen nicht bestehen.
  3. Es wird festgestellt, dass die Beteiligte zu 2 im Rahmen der Beteiligung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG verpflichtet ist, den Betriebsrat im Falle beabsichtigter Fortbildungs- und Schulungsmaßnahmen darüber zu informieren,

    1. ob die zur Schulung vorgesehenen Mitarbeiter Vollzeit- oder Teilzeitbeschäftigte sind,
    2. ob die zur Schulung vorgesehenen Mitarbeiter in den persönlichen Anwendungsbereich der Betriebsvereinbarung „Gleitende Arbeitszeit” oder des Tarifvertrages „Teamarbeit” fallen.

Der weitergehende Antrag des Betriebsrates wird abgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei der zeitlichen Lage von im dienstlichen Interesse stehenden, vom Arbeitgeber angeordneten Schulungs- und Fortbildungsmaßnahmen.

Arbeitgeberin (Beteiligte zu 2) ist die D.AG, eine Privatkundenbank, die rund 8700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an zehn Standorten in Deutschland und der Zentrale in B. beschäftigt. Der Antragsteller (Beteiligte zu 1) ist der für die Betriebe der D.AG gewählte Betriebsrat der Arbeitgeberin am Standort H.. Der Betriebsrat in H. ist für ca. 1350 bis 1450 Mitarbeiter zuständig; hiervon sind etwa 400 Mitarbeiter in Teilzeit beschäftigt.

Bei der D.AG besteht seit Jahren ein breit gefächertes Fortbildungsprogramm:

So schlossen die Beteiligte zu 2 und der bei ihr gebildete Gesamtbetriebsrat am 22. August 2002 eine „Rahmengesamtbetriebsvereinbarung aus Anlass der Einführung der Bankensoftware Account-Management” (zuk. RGBV AM) ab (Anl. 7, Bl. 165 ff d.A.), die den Einsatz der Bankensoftware „SAP FSAM” und SAP FSBP” bei der Beteiligten zu 2 regelt. Die einzelnen Teilschritte zur Einführung der neuen Bankensoftware erfolgen jeweils nach einem von der Beteiligten zu 2 mit dem Gesamtbetriebsrat abgestimmten Fortbildungskonzept gem. § 7 Abs. 3 RGBV AM. Die Fortbildungsmaßnahmen wurden in ganztägigen Schulungen montags bis freitags von 9:00 bis 16:00 sowie gegebenenfalls in halbtägigen Schulungen von 9:00 bis 12:00 oder 13:00 bis 16:00 durchgeführt. Für die an den Schulungen teilnehmenden Mitarbeiter bestand Anwesenheitspflicht. Die im Zusammenhang mit der Einführung der Bankensoftware „SAP FSAM” und SAP FSBP” durchgeführten Schulungsmaßnahmen waren im Wesentlichen im November 2005 abgeschlossen.

Auch danach fanden im dienstlichen Interesse stehende Schulungen und Fortbildungsveranstaltungen mit Anwesenheitspflicht der betroffenen Mitarbeiter statt, so die Schulungsmaßnahmen „DMS Serviceblatt KF” vom 20. Dezember 2005 und vom 05. Januar 2006 (Anl. Ast. 15 und 16, Bl. 350 ff und 356 ff d.A.), denen jeweils der Gesamtbetriebsrat auf Unternehmensebene zugestimmt hatte. Ferner wurde u. a. die mit dem Gesamtbetriebsrat beschlossene Fortbildungsmaßnahme zur Einführung der nächsten Stufe des „Next Generation Scorings) (NTS)” in der Kontoführung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Aufgabenbereichs Giro mit Schulungszeiten von Montag bis Freitag, 8:00 bis 16:00 ab 16. März 2006 durchgeführt.

Über das mit dem Gesamtbetriebsrat abgestimmte Fortbildungskonzept hinaus informierte die Beteiligte zu 2 den Beteiligten zu 1 bei der Durchführung der konkreten Schulungen der Mitarbeiter der Betriebe in H. in der Regel in der Weise,...

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