Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung des Arbeitgebers für schuldhaft zu spät gezahlten Mutterschutzlohn. Zahlung von Mutterschutzlohn für die Dauer des Beschäftigungsverbotes. Fahrlässiges Verhalten bei Vertrauen auf offensichtlich erfolglose Anfechtungserklärung. Notwendige Kosten des Steuerberaters als Schadensersatz

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zahlt der Arbeitgeber der Arbeitnehmerin schuldhaft den ihr zustehenden Mutterschutzlohn nicht fristgerecht, haftet er aus dem Gesichtspunkt des Verzuges für der Arbeitnehmerin entgangenes Elterngeld, wenn aufgrund der verspäteten Zahlung der Mutterschutzlohn lohnsteuerrechtlich als sog. "sonstiger Bezug" eingeordnet wird und deshalb für die Berechnung des Elterngeldes gemäß § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG nicht berücksichtigt wird.

2. Der Anspruch auf Mutterschutzlohn entsteht mit dem Eintritt des Beschäftigungsverbotes und dauert so lange, wie das Beschäftigungsverbot tatbestandsmäßig vorliegt und der ausgleichsbedürftige Verdienstausfall eintritt. Der Mutterschutzlohn wird in gleicher Weise abgerechnet und ausgezahlt wie das Entgelt, das ohne das Beschäftigungsverbot zu zahlen wäre, so dass sich weder der Abrechnungszeitraum noch der Fälligkeitszeitpunkt ändert.

3. Der durch den Schuldnerverzug ausgelöste Schaden erfasst auch die Kosten für die Einschaltung einer Steuerberaterin, soweit es sich um notwendige Rechtsverfolgungskosten handelt, wenn diese zur konkreten Rechtsverfolgung erforderlich und zweckmäßig sind.

a) Dies war hier zur Berechnung der Steuerersparnis der Arbeitnehmerin aufgrund des verringerten Elterngeldes für das Steuerjahr 2018 der Fall. Trotz einer nur in Höhe von 47,00 Euro ermittelten Steuerersparnis bedurfte es weder einer vorherigen Ankündigung noch der Mitteilung des Kostenrahmens.

b) Die Einschaltung der Steuerberaterin für das Jahr 2019 war weder erforderlich noch zweckmäßig. Es bedurfte offenkundig keiner steuerrechtlichen Expertise, dass bei zu vergleichenden Einnahmen von 4.815 Euro und 5.047 Euro der einfach im Internet abzurufende steuerliche Grundfreibetrag für das Jahr 2019 nicht überschritten war und sich keine Steuerersparnis ergeben konnte.

4. Zur Frage des Mitverschuldens der Arbeitnehmerin an der verspäteten Zahlung des Mutterschutzlohnes aufgrund eines Vergleichsabschlusses mit langer Widerrufsfrist für den Arbeitgeber.

 

Normenkette

BEEG § 2 Abs. 7, § 2b Abs. 1, § 2c Abs. 1, §§ 2e, 2f; BGB § 119 Abs. 2, § 123 Abs. 1, §§ 133-134, 157, 249, 254 Abs. 1, §§ 271a, 276 Abs. 1-2, §§ 278, 280 Abs. 1-2, § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 307 Abs. 1; EFZG § 3 Abs. 3; EStG § 32a Abs. 1; MuSchG a.F. § 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1-2, 4, § 5 Abs. 1, § 11 Abs. 1; MuSchArbVO a.F. §§ 1, 3; ZPO § 85 Abs. 2, § 264 Nr. 2, § 278 Abs. 2, § 533; LStR 39b.2 Abs. 1; LStR 39b.2 Abs. 2; StBVV §§ 21, 24 Abs. 1, § 27 Abs. 1; ZPO § 92 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Wuppertal (Entscheidung vom 26.09.2019; Aktenzeichen 5 Ca 450/19)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Berufung des Beklagten und auf die Anschlussberufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 26.09.2019 - 5 Ca 450/19 - teilweise abgeändert und in der Hauptsache wie folgt gefasst:

    1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 267,19 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.07.2019 zu zahlen.
    2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 600,18 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.04.2020 zu zahlen.
    3. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin über die Anträge zu 1. und 2. hinaus im Jahr 2020 sämtliche weiteren materiellen Schäden mit einer Haftungsquote von 70% zu ersetzen, die aus der Auszahlung der Vergütung der Klägerin für die Monate September 2017 bis Dezember 2017 erst im Jahr 2018 und damit steuerrechtlich als sonstige Bezüge resultieren, soweit diese nicht auf Dritte übergegangen sind.
    4. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 341,32 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.07.2019 zu zahlen.
    5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  • II.

    Die weitergehende Berufung des Beklagten und die weitergehende Anschlussberufung der Klägerin werden zurückgewiesen.

  • III.

    Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden der Klägerin und dem Beklagten je zur Hälfte auferlegt. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 57 % und der Beklagte zu 43 %.

  • IV.

    Die Revision wird für beide Parteien - ausgenommen das Unterliegen der Klägerin betreffend die Steuerberatungskosten von 800,00 Euro für das Jahr 2019 - zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen entgangenen Elterngeldes sowie über den Ersatz der Kosten einer Steuerberaterin.

Die Klägerin war seit dem 06.09.2017 bei dem Beklagten, einem Zahnarzt, als zahnmedizinische Mitarbeiterin beschäftigt. Grundlage war der Arbeitsvertrag vom 07.09.2017. In diesem hieß es u.a.:

"§ 1 Beginn des Arbeitsverhältnisses

...

(3) Die Einstellung erfolgt ...

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