Entscheidungsstichwort (Thema)

Weihnachtsgratifikation. Unwirksamkeit einer Rückzahlungsklausel. unangemessene Benachteiligung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Rückzahlungsklausel in einem formularmäßigen Arbeitsvertrag, nach der eine Weihnachtsgratifikation zurückgefordert werden kann, soweit das Arbeitsverhältnis bis zum 31.03. des Folgejahres beendet wird, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen, wenn sie auch in Fällen eingreift, in denen der die Rückforderung auslösende Grund nicht im Verantwortungsbereich des Arbeitnehmers liegt.

 

Normenkette

BGB § 611 Abs. 1, §§ 242, 307 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Wuppertal (Urteil vom 24.03.2011; Aktenzeichen 6 Ca 3598/10)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 24.03.2011 – 6 Ca 3598/10 – abgeändert und der Beklagte verurteilt, an die Klägerin 1.741,67 EUR brutto nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.12.2010 zu zahlen.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung des Weihnachtsgeldes für das Jahr 2010.

Die Klägerin war seit dem 02.03.2009 bei dem Beklagten, der regelmäßig weniger als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, als Steuerfachangestellte tätig. Die Klägerin verdiente zuletzt 1.900.– EUR brutto pro Monat. Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis wegen Auftragsmangels mit Schreiben vom 29.10.2010 zum 30.11.2010.

Im schriftlichen Arbeitsvertrag, wegen dessen Einzelheiten im Übrigen auf Bl. 5 ff. der Gerichtsakte Bezug genommen wird, heißt es in § 4 Abs. 2:

„Frau I. erhält eine Weihnachtsgratifikation in Höhe eines zusätzlichen Gehaltes. Im Jahr des Eintritts anteilig. Bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis bis zum 31.03. des Folgejahres kann das ausgezahlte Weihnachtsgeld zurückverlangt werden.”

Der Beklagte zahlte an seine Mitarbeiter Ende November 2010 ein Bruttomonatsgehalt als Weihnachtsgeld. Die Klägerin erhielt keine Zahlung. Mit ihrer dem Beklagten am 08.01.2011 zugestellten Klage begehrt die Klägerin das anteilige Weihnachtsgeld für elf Monate in 2010.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Rückzahlungsklausel in § 4 Abs. 2 Satz 3 des Arbeitsvertrages sei unwirksam, da diese eine „Kann”-Bestimmung beinhalte. Dem Beklagten sei damit eine Rückforderung nach seinem Ermessen eingeräumt worden, es sei jedoch nicht erkennbar, dass er sein Rückzahlungsverlangen nach billigem Ermessen ausgeübt habe. Darüber hinaus sei die Rückzahlungsklausel auch deshalb unwirksam, da es sich bei ihr um eine unklar formulierte allgemeine Geschäftsbedingung handele.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.741,67 EUR brutto nebst 11,75% Zinsen seit dem 15.11.2010 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, er sei berechtigt gewesen, die Klägerin von der Zahlung der Weihnachtsgratifikation auszuschließen. Zu einer Auszahlung sei er nicht verpflichtet gewesen, denn er hätte die Zahlung nach § 4 Abs. 2 Satz 3 des Arbeitsvertrages umgehend zurückverlangen können. Die Rückzahlungsklausel umfasse nach ihrem Wortsinn jede Form der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Vorsorglich rechne er gegen einen etwaigen Zahlungsanspruch der Klägerin mit seinem Anspruch auf Rückzahlung des Weihnachtsgeldes auf.

Das Arbeitsgericht Wuppertal hat die Klage mit Urteil vom 24.03.2011 abgewiesen und seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der Beklagte sei nach dem Grundsatz „dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est” nicht verpflichtet, die Weihnachtsgratifikation an die Klägerin zu zahlen. Eine etwaig erhaltene Weihnachtsgratifikation hätte die Klägerin umgehend zurückzahlen müssen, denn bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30.11.2010 hätten sich ihr Zahlungsanspruch und der Rückzahlungsanspruch des Beklagten gegenübergestanden. Die Rückzahlungsklausel in § 4 Abs. 2 Satz 3 des Arbeitsvertrages sei wirksam. Sie greife auch im Falle einer betriebsbedingten Kündigung ein und enthalte keine unzumutbare Kündigungserschwerung. Entgegen der Auffassung der Klägerin scheitere die Rückzahlungsklausel nicht an § 307 BGB, denn die Klausel sei klar formuliert, auch wenn sie eine „Kann-Bestimmung” enthalte.

Gegen dieses Urteil, das ihr am 07.04.2011 zugestellt worden ist, hat die Klägerin am 06.05.2011 Berufung eingelegt und diese mit einem am 03.06.2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Klägerin ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe unrichtig entschieden und wiederholt ihre Auffassung, nach der § 4 Abs. 2 Satz 3 des Arbeitsvertrages unklar formuliert und damit unwirksam sei.

Die Klägerin beantragt unter Rücknahme des ursprünglich hinsichtlich der Zinsen weitergehenden Antrages,

das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 24.03.2011 – 6 Ca 3598/10 – abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.741,67 EUR brutto nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem...

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