Verfahrensgang

ArbG Bremen (Urteil vom 15.12.1988; Aktenzeichen 6 Ca 6237/88)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen vom 15.12.1988 – 6 Ca 6237/88 abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 39,21 nebst 4% Zinsen seit dem 8. Juli 1988 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darum, ob dem Kläger für die Zeit der Akteneinsicht am 15.02.1988, während der er nicht für die Beklagte tätig war, Gehalt zusteht. Der von der Beklagten nicht vergütete Verdienstausfall für diese Zeit beträgt DM 39,21.

Der Kläger, der als juristischer Sachbearbeiter im Schadenbüro der Beklagten tätig ist, ist zugleich ehrenamtlicher Richter beim Arbeitsgericht Bremen. Er erhält die Zeit, die er am Sitzungstag mit Tätigkeiten als ehrenamtlicher Richter verbringt, von der Beklagten vergütet, soweit diese Zeit in der Arbeitszeit liegt.

Im Rahmen der Heranziehung zur Sitzung der Kammer am 17.2.1988 hat der Kläger am 15.2.1988 während seiner Kernarbeitszeit von 9.10 h–10.13 h die Prozeßakten, 4 Kündigungsschutzklagen auf eigenen Wunsch eingesehen.

Anlaß dafür war, daß – wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht unstreitig vorgetragen hat – er sich verschiedentlich mangels genauer Kenntnis des Streitstoffs außerstande gesehen hat, durch Urteil zu entscheiden und daher am Verhandlungstage die Akten gelesen hat, was entsprechende Verzögerungen zur Folge hatte. Derartige Situationen waren z. B. deshalb entstanden, weil sich aufgrund unvorhergesehener Entwicklungen in der mündlichen Verhandlung Terminsüberschreitungen ergaben, die entsprechende Eile zur Folge hatten.

Der Kläger hat Zeiten der Akteneinsicht auf seinen Antrag nach § 12 EhrRiEG teils mit der Begründung ersetzt erhalten, die Akteneinsicht sei wegen der Schwierigkeit des Falles oder seines Umfangs erforderlich gewesen, teils ist die Erstattung rechtskräftig abgelehnt worden, z. B. durch Beschluß vom 26.8.1987 – 6 AR 39/87 – und in einem ähnlichen Fall durch Beschluß vom 25.7.1988 – 2 Ta 72/87 –, die beide Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren. Nachdem die Erstattungsanträge in den letzten Fällen stets rechtskräftig abgelehnt worden waren, hat er davon abgesehen, in diesem Fall einen Antrag nach § 12 EhrRiEG zu stellen.

Der Kläger stützt sein Begehren auf die Betriebsvereinbarung über gleitende Arbeitszeit vom 12.10.1987, in der es u. a. heißt:

„3.5 Abwesenheiten während der Regelarbeitszeit gelten in den nachstehenden Fällen als bezahlte Freizeit; sie sind mit dem zuständigen Vorgesetzten abzustimmen.

3.5.2 Erfüllung gesetzlich auferlegter Pflichten aus öffentlichen Ehrenämtern”

Im übrigen wird von der Darstellung des Tatbestandes gemäß § 543 I ZPO Abstand genommen.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 15.12.1988 für Recht erkannt:

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
  3. Der Streitwert beträgt 39,21 DM.
  4. Die Berufung wird zugelassen.

Wegen der Entscheidungsgründe wird auf Bl. 46–47 d.A. Bezug genommen.

Gegen dieses dem Kläger am 21.4.1989 zugestellte Urteil hat er am 11.5.1989 Berufung eingelegt und sie am 18.5.1989 begründet:

Aufgrund seiner richterlichen Unabhängigkeit und der Verpflichtung, nach bestem Wissen und Gewissen zu urteilen, habe er das Recht der vorausgehenden Akteneinsicht. Ob er davon Gebrauch mache, sei allein seine Entscheidung. Die gesetzlich auferlegte Pflicht aus dem öffentlichen Ehrenamt bestehe darin, nach bestem Wissen und Gewissen zu urteilen. Die richterliche Unabhängigkeit überlasse die Ausfüllung und Konkretisierung dieser Pflicht dem ehrenamtlichen Richter.

Er beantragt,

die Berufungsbeklagte unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Bremen vom 15.12.1988 zu verurteilen, an den Berufungskläger DM 39,21 brutto Arbeitsentgelt nebst 4% Zinsen seit dem 23.06.1988 zu zahlen

und

der Berufungsbeklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und führt ergänzend aus:

Die Ziffern 3.5.1 bis 3.5.5 der Betriebsvereinbarung würden im wesentlichen die Fälle des § 616 I BGB aufzählen. Es bestünden deshalb Zweifel, ob die Ziffer 3.5.2 dessen Anwendungsbereich erweitern wolle. Denn das Gesetz über die Entschädigung der ehrenamtlichen Richter gehe wie selbstverständlich von einem Verdienstausfall aus, weil es in § 2 II EhrRiEG bestimme, daß für Verdienstausfall bis zu 24,– DM pro Stunde aus der Justizkasse ersetzt werden. Es bestehe deshalb auch kein Anspruch nach § 616 I BGB.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertrages der Parteien wird auf den Akteninhalt, insbesondere die angefochtene Entscheidung sowie die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die kraft Zulassung statthafte und zulässige Berufung ist begründet. Der Kläger hat nach § 616 I 1 BGB einen Anspruch auf seinen Gehaltsausfall in Höhe von DM 39,21.

1. Die Kammer fo...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge