Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 19.08.1975; Aktenzeichen 14 Ca 510/75)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das am 19. August 1975 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Berlin 14 Ca, 510/75 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger steht seit dem 1.4.1970 als Fliesenleger in den Diensten der Beklagten.

Im Betriebe der Beklagten bestellt Uneinigkeit über den Ankauf von Sicherheitsschuhen und deren Bezahlung. Zwischen dem Betriebsrat und der Firmenleitung fanden deshalb bereits ergebnislose Verhandlungen statt. Am 4.6.1975 erließ die Beklagte einseitig folgende innerbetriebliche Mitteilung:

„Betr.: Sicherheitsschuhe

Wir möchten nochmals darauf hinweisen, daß alle bei uns beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer Sicherheitsschuhe und Sicherheitshelme lt. Gesetz tragen müssen.

Bei Vorlage der Rechnung über gekaufte Sicherheitsschuhe zahlt die Firma den Mehrbetrag gegenüber ein Paar derben Arbeitsschuhen von 15,00 DM.

Der Zuschuß wird nach Bedarf gewährt, frühestens nach einem Jahr.”

Der Kläger kaufte sich am 19.6.1975 bei der Firma J. G. GmbH, Spezialfabrik für Schutzkleidung, ein Paar B-S.-Sicherheitsschuhe zum Rechnungspreis von 56,41 DM (Bl. 40 d.A.).

Mit der vorliegenden am 11.7.1975 erhobenen Klage hat der Kläger von der Beklagten die Erstattung des vorgenannten Rechnungsbetrages mit folgender Begründung gefordert:

Nach den Unfallverhütungsvorschriften sei die Beklagte verpflichtet, für ihre Beschäftigten alle erforderlichen persönlichen Schutzausrüstungen bereit zu halten, wozu auch Sicherheitsschuhe gehörten. Unter Bereithalten sei aber der Ankauf und die Bezahlung solcher Schuhe zu verstehen, was sich aus § 618 BGB ergebe. Obwohl von dem Beauftragten der Bau-Berufsgenossenschaft darauf aufmerksam gemacht, weigere sich die Beklagte, ihren Bediensteten die Sicherheitsschuhe zur Verfügung zu stellen. Deshalb sei er gehalten gewesen, sich diese Schuhe selbst zu kaufen und fordere dafür den aufgewandten Betrag von der Beklagten zurück.

Der Kläger hat im ersten Rechtszug beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 56,41 DM netto zuzüglich 4 % Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen.

(Im Tatbestand des angefochtenen Urteils ist entgegen dem gestellten Antrag zu Unrecht ein Klagebetrag von 57,55 DM netto genannt worden).

Die Beklagte hat im ersten Rechtszug

Klageabweisung

beantragt und hat folgendes vorgetragen:

Im tariflichen Bereich müßten die Fliesenleger für ihre Arbeitskleidung, also auch für geeignete Schuhe, selbst Sorge tragen. Sie sei daher nicht verpflichtet, die vom Kläger erworbenen Sicherheitsschuhe zu bezahlen. Ihrer Fürsorgepflicht komme sie dadurch ausreichend nach, daß sie den angebotenen Anteil übernehme. Sie sei nämlich allenfalls nur verpflichtet, den Sicherheitsanteil, also die Stahlbestandteile, zu tragen. Anderenfalls könnte die Situation eintreten, daß die Arbeitnehmer die von ihr bezahlten Sicherheitsschuhe auch privat benutzen können. Ein Paar normale Sicherheitsschuhe ohne Stahleinlage kosteten 33,90 DM, ein Paar Sicherheitsschuhe 48,85 DM. Sie schulde daher dem Kläger höchstens die Differenz zwischen diesen beiden Beträgen.

Das Arbeitsgericht hat durch das am 19.8.1975 verkündete Urteil unter Zulassung der Berufung der Klage mit folgender Begründung stattgegeben:

Nach § 4 der Unfallverhütungsvorschriften in Verbindung mit § 618 BGB sei die Beklagte verpflichtet, dem Kläger Sicherheitsschuhe zur Verfügung zu stellen, was bedeute, daß sie derartige Schuhe auf ihre Kosten erwerben und dem Kläger überlassen müsse. Die innerbetriebliche Regelung der Beklagten vom 4.6.1975 sei rechtlich unerheblich, denn sie verstosse schon gegen die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 BetrVG. Der Kläger müsse zwar nach der Übung selbst für seine Arbeitskleidung sorgen, was aber nicht auf die Sicherheitskleidung zutreffe, deren Verwendung auch im Interesse des Arbeitgebers liege. Eine Aufteilung der Anschaffungskosten für Sicherheitsschuhe komme auch nicht in Frage; die von der Beklagten dafür angegebenen Gründe seien eine lebensfremde und gekünstelte Konstruktion. Der von der Beklagten geäußerten Befürchtung, die Sicherheitsschuhe könnten auch privat genutzt werden, könnte jederzeit durch ein entsprechendes Verbot entgegengewirkt werden. Da die Beklagte verpflichtet sei, die Sicherheitsschuhe zur Verfügung zu stellen, liege auch ein öffentliches Interesse an der Erfüllung dieser Pflicht nach § 679 BGB vor, so daß der Kläger den für den Ankauf der Sicherheitsschuhe aufgewendeten Betrag von der Beklagten zurückfordern könne.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 6.1.1976 zugestellte Urteil mit Schriftsatz vom 16.1.1976 – beim Landesarbeitsgericht am 17.1.1976 eingegangen – Berufung eingelegt und dieselbe nach gewährter Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 20.2.1976 mit dem an diesem Tage eingegangenen Schriftsatz vom 19.2.1976 wie folgt begründet:

Zunächst werde die Höhe des geforderten Betrages bestritten, denn der Kläger habe bisher nicht da...

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