Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbedingte Kündigung wegen Schließung des Betriebs. Unbeachtlichkeit falscher Betriebsnummer in der Massenentlassungsanzeige

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Kündigung aus betriebsbedingten Gründen wegen Schließung des Betriebs ist wirksam, wenn eine entsprechende Entscheidung getroffen wurde und dann greifbare Formen angenommen hat.

2. Der Wirksamkeit der Massenentlassungsanzeige im Rahmen des § 17 Abs. 3 KSchG steht die versehentliche Angabe einer falschen Betriebsnummer nicht entgegen, solange der tatsächliche Beschäftigungsbetrieb erkennbar ist.

 

Normenkette

BGB § 134; KSchG § 1 Abs. 2-3, § 17; ZPO § 91

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 29.07.2021; Aktenzeichen 41 Ca 3971/21)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 29.07.2021 - 41 Ca 3971/21 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung und in diesem Zusammenhang insbesondere darüber, ob die Beklagte vor Ausspruch der Kündigung eine wirksame Massenentlassungsanzeige erstattet hat.

Die Beklagte ist ein Unternehmen der A-Gruppe, das Endverbraucher nach deren Online-Bestellung mit Getränken beliefert. Dazu hielt sie an 14 Standorten in Deutschland Getränkelager vor. In Berlin war sie mit drei Lagern vertreten und zwar dem Lager in der B-Straße, einem Lager in der T.straße und einem Lager in der G.straße. Ein Betriebsrat ist nicht gewählt.

Der Kläger ist bei ihr bzw. ihrer Rechtsvorgängerin seit dem 18. Dezember 2019 auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages nebst Verlängerungsvereinbarung vom 5. November 2020 (Bl. 6 - 12 d.A.) als Kommissionierer beschäftigt. Er war zuletzt im Lager in der G.straße in 13053 Berlin tätig.

Nachdem die A-Gruppe Ende 2020 im Wege eines share-deals 100% der Anteile an der f SE erworben hatte, einer Unternehmensgruppe, die mit ihren Tochtergesellschaften ebenfalls die Auslieferung von Getränken an Endverbraucher betreibt, übertrug die Beklagte einzelne Lager an Tochtergesellschaften der f SE, so auch ihr Lager in der B-Straße in Berlin. Die anderen beiden Lager schloss die Beklagte zum 30. April 2021. Der bis zum 30. Juni 2021 befristete Pachtvertrag für das Lager in der G.straße wurde nicht mehr verlängert. Die Waren wurden abverkauft bzw. abgeschrieben. Die Beklagte kündigte zum 30. April 2021 den für dieses Lager bestehenden Entsorgungsauftrag sowie den Auftrag für die Unterhaltsreinigung (Bl. 49 und 50 d.A.), ebenso wie die Verträge über die Bereitstellung von Kaffee-, Snack- und Getränkeautomaten und verlängerte die Leasingverträge für die dort eingesetzten Auslieferungsfahrzeuge nicht über den 30. April 2021 hinaus.

Mit einem von den beiden Prokuristen unterzeichneten Schreiben vom 25. März 2021 erstattete die Beklagte gegenüber der Agentur für Arbeit Berlin-Mitte eine Massenentlassungsanzeige, in der unter Name/Unternehmensbezeichnung die Beklagte mit ihrem Hauptsitz angegeben war, als Betrieb, auf den sich die Anzeige beziehen sollte, das "Lager Berlin G.straße, G.straße 19, 13053 Berlin" benannt ist und der Stempel bei der Unterschrift wiederum den Namen der Beklagten trägt. Die in der Anzeige angegebene Betriebsnummer ist bei der Agentur für Arbeit der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der D GmbH zugeordnet. Für die Einzelheiten der Massenentlassungsanzeige wird auf Bl. 56 ff. d.A. Bezug genommen. Das Arbeitsamt teilte im Anschluss daraufhin mit einem unter der Anschrift der Beklagten an die "D GmbH", gerichteten Schreiben (Bl. 52 d.A.) mit, die Anzeige sei vollständig eingegangen und die festzusetzende Entlassungssperre werde am 25. April 2021 enden. Auf Nachfrage der Beklagten wies das Arbeitsamt per E-Mail am 2. Juni 2021 darauf hin, aufgrund einer fehlenden Namensänderung seitens der Beklagten sei die Eingangsbestätigung entsprechend an die GmbH ausgestellt worden.

Mit Schreiben vom 26. März 2021 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers. Außerdem kündigte die Beklagte auch die Arbeitsverhältnisse der übrigen im Lager in der G.straße beschäftigten Arbeitnehmer.

Mit der vorliegenden, beim Arbeitsgericht am 6. April 2021 eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen diese Kündigung, die er mangels betriebsbedingten Erfordernis und fehlerhafter Sozialauswahl für sozial ungerechtfertigt sowie wegen fehlerhafter Massenentlassungsanzeige für rechtsunwirksam hält.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 29. Juli 2021, auf dessen Tatbestand wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien Bezug genommen wird, festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 26. März 2021 nicht aufgelöst worden ist, den allgemeinen Feststellungsantrag abgewiesen und der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Kündigung sei rechts...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge