rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Betriebsübergang bei Umwandlung in einen Integrationsbetrieb

 

Leitsatz (amtlich)

1. Einem Betriebsübergang iSd. § 613a BGB steht eine grundlegende Änderung des Funktions- und Zweckzusammenhangs entgegen. Eine solche Änderung liegt vor, wenn ein Gastronomie- und Hotelbetrieb in einen Integrationsbetrieb iSd. § 132 SGB IX umgewandelt wird und angesichts konzeptioneller Änderungen nicht mehr die Gewinnerzielung unter Beschäftigung auch behinderter Menschen, sondern vielmehr die Förderung und Ausbildung – überwiegend schwer – behinderter Menschen mit dem Ziel ihrer Integration Betriebszweck ist.

2. Eine Vereinbarung zwischen einem Arbeitnehmer und einem Betriebserwerber stellt eine zur Unwirksamkeit nach § 134 BGB führende Umgehung des § 613a Abs. 1 BGB dar, wenn es Grund und Ziel der Vereinbarung ist zu verhindern, dass der Betriebserwerber in sämtliche Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis eintritt, insbesondere wenn der Arbeitsvertrag den Ausschluss von bei dem Veräußerer erworbenen Besitzständen beinhaltet (vgl. BAG 19. März 2009 – 8 AZR 722/07 – AP Nr. 369 zu § 613a BGB = NZA 2009, 1091 = EzA § 613a BGB 2002 Nr. 108, zu B II 2 d cc der Gründe).

3. Der neue Betriebsinhaber kann sich in so einem Fall nicht auf die Wirksamkeit der Kündigung des Veräußerers berufen, wenn die an sich wirksame Kündigung durch die Erfüllung eines Fortsetzungsanspruchs hätte korrigiert werden müssen (vgl. BAG 21. August 2008 – 8 AZR 201/07 – AP Nr. 353 zu § 613a BGB = NZA 2009, 29 = EzA § 613a BGB 2002 Nr. 95, zu B II 2 b cc der Gründe).

 

Normenkette

BGB § 613a; KSchG § 1; SGB IX §§ 132, 85, 90

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 09.09.2009; Aktenzeichen 56 Ca 8726/09)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 09.09.2009 – 56 Ca 8726/09 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung.

Der 1952 geborene Kläger war ab 1986 im Forsthaus P. (Hotel, Restaurant und Café) am G. beschäftigt, zuletzt als Bankett- und Veranstaltungsleiter sowie als Oberkellner.

Am 30. August 2008 erhielt er von dem damaligen Inhaber, der das Forsthaus von dem Land Berlin gepachtet hatte, eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung zum 6. Januar 2009. Hintergrund war das Auslaufen des Pachtvertrages zum 31. Dezember 2008. Der Kläger griff die Kündigung nicht an, auch nicht die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist. Ihm wurde eine Beschäftigung bei der neuen Pächterin in Aussicht gestellt. Am 17. Dezember 2008 bot ihm die Beklagte, die neue Pächterin werden sollte, an, ihn ab März 2009 als Mitglied der Restaurantleitung einzustellen. Die Übernahme bestätigte sie ihm, mit Schreiben vom selben Tag.

Die Beklagte betrieb und betreibt ein Integrationsunternehmen iSd. § 132 Abs. 1 SGB IX. Der Gesellschaftszweck der Beklagten ist in dem Gesellschaftsvertrag ua. wie folgt formuliert:

„… Eingliederung und Rehabilitation Behinderter und Schwerbehinderter in das Arbeitsleben durch den Aufbau und Betrieb von Einrichtungen zur Beschäftigung Behinderter, insbesondere …”

Er besteht in der Verfolgung gemeinnütziger Zwecke. Am 8. Januar 2009 bewilligte das Landesamt für Gesundheit und Soziales des Landes Berlin der Beklagten aus Mitteln der Ausgleichsabgabe nach § 134 SGB IX zur Erweiterung ihres Integrationsunternehmens einen zweckgebundenen Zuschuss für den Aus- und Umbau sowie die Ausstattung des Forsthauses P. zur Einrichtung von insgesamt 15 neuen Arbeits- und Ausbildungsplätzen für schwerbehinderte Menschen. Nach dem Bescheid sollte die Einstellung der schwerbehinderten Mitarbeiter sukzessive nach Abschluss der Aus- und Umbauarbeiten nach der Neueröffnung erfolgen. Es folgten Umbau- und Modernisierungsarbeiten. Im Hotel wurde ein Großteil des Mobiliars ausgewechselt, auch die Küche wurde grundlegend erneuert. Das Mobiliar im Restaurant blieb erhalten.

Am 11. März 2009 schlossen die Parteien einen Arbeitsvertrag für die Zeit ab dem 27. März 2009 mit einer sechsmonatigen Probezeit. Dieser sah eine Tätigkeit des Klägers als „Chef vom Dienst/Sommelier” vor. Von der früheren Belegschaft übernahm die Beklagte außerdem zwei Köche. Sie beschäftigt zur Betreuung und Unterstützung der Belegschaft ua. pädagogisch und psychologisch geschultes Personal. Anfang April 2009 eröffnete sie den Betrieb wieder. Als Pädagogin war eine Frau B. zuständig, ab dem 1. Juni 2009 speziell für die Einrichtung „Forsthaus P.” auch eine Motopädin. Zunächst gehörten der Belegschaft drei behinderte Menschen an; in den Folgemonaten kamen kontinuierlich weitere hinzu. Im Herbst 2009 waren es bereits neun, zum Zeitpunkt der Berufungserwiderung 21, von denen zwei auch im nahe gelegenen Imbisscafé des Jagdschlosses G. eingesetzt worden sind bzw. werden. ZT. wurden tageweise nach Bedarf auch Leiharbeitnehmer beschäftigt. Der GdB der behinderten Mitarbeiter liegt bei mindestens 50, oft deutlich darüber.

Schon bald nach der Arbeitsaufnah...

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