Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein immaterieller Schaden durch verspätete Auskunftserteilung auf ein Verlangen nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO. Keine Vermutung aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO für einen immateriellen Schaden. Bestimmtheitserfordernis beim Antrag auf Auskunftserteilung nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 DSGVO. Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch Nutzung von Film- und Fotoaufnahmen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die verspätete Auskunftserteilung auf ein Verlangen nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO stellt als solche keinen immateriellen Schaden dar. Ein bloßer Verstoß gegen die Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung genügt nicht, um einen Schadensersatzanspruch gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO zu begründen.

2. Art. 82 Abs. 1 DSGVO enthält auch keine Vermutung dahingehend, dass der mit einem Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung einhergehende Kontrollverlust über die eigenen Daten als solcher zu einem ersatzfähigen immateriellen Schaden führt.

3. Ein Antrag gemäß Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Hs 2 DSGVO auf Auskunftserteilung über "sämtliche personenbezogenen Daten" genügt regelmäßig nicht dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

 

Leitsatz (redaktionell)

Verwendet der Arbeitgeber nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses unautorisiert Bildmaterial in Video- und Fotoaufnahmen, das den Arbeitnehmer erkennbar über einen längeren Zeitraum zeigt, ist er dem Grunde nach zur Zahlung von Schadensersatz wegen Verstoßes gegen Art. 17 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 82 Abs. 1 DSGVO bzw. zur Zahlung einer Geldentschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts verpflichtet.

 

Normenkette

DSGVO Art. 4 Nr. 1, Art. 15 Abs. 1, Art. 82 Abs. 1; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2; DSGVO Art. 17 Abs. 3 S. 1; ZPO §§ 308, 322

 

Verfahrensgang

ArbG Pforzheim (Entscheidung vom 23.02.2022; Aktenzeichen 5 Ca 222/21)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Berufungen des Klägers und der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Pforzheim vom 23. Februar 2022 - 5 Ca 222/21 - unter Zurückweisung der weitergehenden Berufungen teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:

    1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. April 2020 zu zahlen.
    2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
    3. Die Widerklage wird abgewiesen.
  • II.

    Von den erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 74 % und die Beklagte 26 %.

    Die Kosten des Berufungsverfahrens werden zu 59 % dem Kläger und zu 41 % der Beklagten auferlegt.

  • III.

    Bezüglich des Auskunftsverlangens des Klägers wird die Revision zugelassen. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt zweitinstanzlich noch die Erteilung von Auskunft nach Art. 15 der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und macht immateriellen Schadensersatz wegen Verletzung der Auskunftspflicht nach Art. 15 DSGVO und wegen der Verwendung von Video- und Fotoaufnahmen mit Abbildungen von ihm nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien geltend. Die Beklagte verlangt widerklagend die Rückzahlung eines Arbeitgeberdarlehens.

Der Kläger war bis zum 30. April 2019 bei der Beklagten, einem Unternehmen der Werbetechnikbranche, als Werbetechniker im Bereich Folierung angestellt. Seit 1. Mai 2019 ist er bei einem Mitbewerber der Beklagten tätig.

Die Beklagte betreibt die "W.-S." und veranstaltet über dieses Format Schulungen in Sachen Folierung. Der Kläger leitete u. a. diese von der Beklagten für interne Mitarbeiter und für Externe angebotene Schulungen, wobei er besonderes Knowhow rund um das Thema "Folieren" an die Teilnehmer weitergab.

Während des Bestands des Arbeitsverhältnisses ließ die Beklagte mit Wissen und Einverständnis des Klägers von diesem zahlreiche Fotos "bei der Arbeit" machen und ein ca. vierminütiges Werbevideo produzieren, das den Kläger als Schulungsleiter "in Aktion" zeigte. Unter Nutzung dieses Foto- und Videomaterials bewarb die Beklagte sodann ihre Leistungen auf der Firmenwebsite unter www.......de, www........de, im Google My Business Account und auf der Facebook-Seite der "W.-S".

Nach dem Ausscheiden des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis wurden die Fotos sowie das Video durch die Beklagte zunächst weiterhin verwendet. Der Kläger richtete mehrfach WhatsApp-Nachrichten an Herrn S., seinen Ansprechpartner bei der Beklagten, mit der Aufforderung zur Löschung des streitigen Bildmaterials. Diesbezüglich wurde auch mehrfach korrespondiert. Die Beklagte kam der Aufforderung zunächst nicht nach.

Der nunmehrige Prozessbevollmächtigte des Klägers fand im Januar 2020 Folgendes seit dem 1. Mai 2019 unverändertes Bild vor: Auf der Firmenwebsite www..........de befand sich ein zentrales Werbe- und Schulungsvideo der Beklagten mit dem Kläger als Protagonisten als Schulungsleiter (Länge 4 Minuten 5 Sekunden), das auch über YouTube zu sehen war. Ferner wurde auf der verlinkten Website www........de das streitige Werbe- und Schulungsvideo der Beklagten mit dem Kläger dargestellt. Ebenfalls war ein Foto, das den Kläger bei einer Sc...

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