Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen eigenmächtigen Urlaubsantritts während einer Prozessbeschäftigung

 

Leitsatz (amtlich)

Ein eigenmächtiger Urlaubsantritt ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB zu bilden. Dies gilt auch dann, wenn der eigenmächtige Urlaubsantritt nach Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist einer unwirksamen Kündigung (während einer Prozessbeschäftigung) erfolgt. In diesem Zusammenhang spielt es letztlich keine Rolle, ob sich bei Auslegung der Erklärungen der Parteien zur Prozessbeschäftigung ergibt, dass eine auflösend bedingte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses oder eine Beschäftigung zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung vereinbart wurde. Einer Abmahnung bedarf es regelmäßig nicht. Im Rahmen der Interessenabwägung wirkt es sich nicht zugunsten des Arbeitnehmers aus, dass der Urlaubsantrag kurz vor Ablauf des Übertragungszeitraums gestellt wurde. Durch die Rechtsprechung des EuGH vom 6. November 2018 (- C-684/16 -) ist geklärt, dass die Befristung des Urlaubsanspruchs auf das Ende des Kalenderjahres bzw. den Übertragungszeitraum die Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten durch den Arbeitgeber voraussetzt.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 1; BUrlG § 7 Abs. 1; BetrVG § 102

 

Verfahrensgang

ArbG Heilbronn (Entscheidung vom 12.09.2019; Aktenzeichen 1 Ca 173/18)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 20.05.2021; Aktenzeichen 2 AZR 457/20)

 

Tenor

  1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Heilbronn vom 12. September 2019 - 1 Ca 173/18 - abgeändert.
  2. Die Klage wird abgewiesen.
  3. Die Berufung des Klägers gegen das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Heilbronn vom 12. September 2019 - 1 Ca 173/18 - wird zurückgewiesen.
  4. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 2/3 und die Beklagte 1/3 zu tragen.
  5. Die Revision wird für den Kläger zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten zuletzt noch über eine außerordentlich fristlose, hilfsweise ordentliche Arbeitgeberkündigung vom 4. April 2019.

Die Beklagte mit Sitz in D. bietet im Konzernverbund als Servicepartner Logistikleistungen an, unterhält hierzu verschiedene Standorte in Deutschland und setzt hierzulande mehr als 500 Arbeitnehmer ein. Ein Betriebsrat ist gebildet.

Der am 00.00.1971 geborene, ledige Kläger hat insb. Wirtschaftsingenieurwesen studiert, den Studiengang Master in Logistics Management berufsbegleitend absolviert und trat zum 1. August 2017 in ein Arbeitsverhältnis zur Beklagten als "Prozessmanager Automotive" zu einem Bruttomonatsentgelt von 6.250,00 Euro ein. Die Beklagte setzte den Kläger dabei von Anfang an zur Erfüllung eines von ihrem Kunden, der A. AG, erteilten Auftrags in vom Kunden bereitgestellten Räumen in H. ein.

Die Beklagte hat mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung Urlaub abgeschlossen, welche insb. auch die Gewährung von Sonderurlaub regelt. Die Beklagte gewährt den in D. eingesetzten Mitarbeitern danach am Rosenmontag Sonderurlaub. Der Kläger, den die Beklagte dem Einsatzort Du. zuordnet, beantragte am 5. Februar 2018 für den Rosenmontag Sonderurlaub und gab dabei an, dass ihm dieser Urlaub bereits durch Herrn C. genehmigt worden sei. Daraufhin wurde der beantragte Sonderurlaub im System der Beklagten als genehmigt hinterlegt. Am Rosenmontag, 12. Februar 2018, erschien der Kläger - entsprechend des Urlaubsantrags - nicht zur Arbeit.

Mit Schreiben vom 8. März 2018 (Bl. 69-70 Akte ArbG) mahnte die Beklagte den Kläger ab, weil der Kläger die Urlaubsbewilligung für den 12. Februar 2018 unter Vorspiegelung falscher Tatsachen erschlichen habe. Eine Urlaubsgenehmigung durch Herrn C. sei zu keinem Zeitpunkt erfolgt und Sonderurlaub werde auch nicht den am Standort Du. beschäftigten Arbeitnehmern gewährt. Auf den Inhalt der Abmahnung wird Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 23. April 2018 (Bl. 14 d. Akte ArbG) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 31. Mai 2018 ordentlich.

Mit der am 14. Mai 2018 beim Arbeitsgericht Heilbronn eingegangenen Klage wendete sich der Kläger zunächst gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses und kündigte neben einem Kündigungsschutzantrag und einem erweiterten Feststellungsantrag auch einen Weiterbeschäftigungsantrag an, den der Kläger auf die Rechtsprechung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 27. Februar 1985 stützte.

Die Beklagte hat erstinstanzlich Klageabweisungsantrag und einen Auflösungsantrag angekündigt und behauptet, die Kündigung sei durch dringende betriebliche Erfordernisse und durch Gründe im Verhalten des Klägers bedingt.

Am 6. September 2018 vereinbarten die Parteien unter der Überschrift "Vertragliches Prozessarbeitsverhältnis" schriftlich das Folgende (Bl. 95 d. Akte ArbG):

"Präambel

Der Arbeitnehmer hat gegen die ihm am 24.04.2018 zugestellte Kündigung vom 23.04.2018 zum 31.05.2018 ausgesprochene Kündigung vor dem Arbeitsgericht Heilbronn, AZ 1 Ca 173/18 Kündigungsschutzklage erhoben. Zugleich hat er beantragt, ihn über das Beendigungsdatum 31.05.2018 hinau...

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