Eine Krankheit des Arbeitnehmers kann nur in eng begrenzten Ausnahmefällen dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar machen und damit einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen. Beide Seiten müssen zunächst dafür Sorge tragen, dass ihr Arbeitsverhältnis nach Möglichkeit bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist in einer für beide Seiten zumutbaren Art und Weise aufrechterhalten werden kann.[1] Ein die außerordentliche Kündigung rechtfertigender Ausnahmefall kommt z. B. in Betracht, wenn eine ordentliche Kündigung tariflich oder vertraglich ausgeschlossen ist. Dann muss der Arbeitgeber aber die für eine ordentliche Kündigung längste Kündigungsfrist, die sog. soziale Auslauffrist wählen. Nach einer Entscheidung des BAG vom 23.1.2014[2] können bei einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer häufige Kurzerkrankungen einen Dauertatbestand darstellen, der den Arbeitgeber zu einer außerordentlichen Kündigung mit einer der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist[3] berechtigen kann. Nach der Rechtsprechung des BAG kann dies gerechtfertigt sein, wenn aufgrund der zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten ein gravierendes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bestehe. Wann dies der Fall ist, hängt von den Voraussetzungen und Ausgestaltung des dem Arbeitnehmer eingeräumten tariflichen Sonderkündigungsschutzes ab. Stets ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Voraussetzungen, die bei einer solchen Kündigung wegen einer Krankheit im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB erfüllt werden müssen, auf allen 3 Stufen strengen Kriterien unterliegen. Der Prüfungsmaßstab ist erheblich strenger als bei einer ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Die prognostizierten Fehlzeiten (1. Stufe) und die sich aus ihnen ergebenden Beeinträchtigungen der betrieblichen Interessen (2. Stufe) müssen deshalb deutlich über das Maß hinausgehen, welches eine ordentliche Kündigung sozial zu rechtfertigen vermag. Insofern muss der Leistungsaustausch zwar nicht komplett entfallen, aber schwer gestört sein. Auch im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung (3. Stufe) ist deshalb zu prüfen, ob die gravierende Äquivalenzstörung dem Arbeitgeber auf Dauer zuzumuten ist. Aus diesen Grundsätzen heraus verlangt das BAG, dass bei einer Kündigung, die auf häufige Kurzerkrankungen gestützt wird, zur Erstellung der Gesundheitsprognose regelmäßig auf einen Referenzzeitraum von 3 Jahren vor Kündigungszugang abgestellt wird. Auf der 2. Stufe muss eine erhebliche Beeinträchtigung des Arbeitgebers als Folge der prognostizierten Ausfallzeiten dargelegt werden. Soweit dabei auf die Kosten der Entgeltfortzahlung abgestellt wird, hält das BAG allerdings nur eine Berücksichtigung der gesetzlichen Entgeltfortzahlungskosten für zulässig. Gerade weil der Tarifvertrag durch den Sonderkündigungsschutz den Arbeitnehmer in besonderer Weise vor einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses schützen will, bedarf es einer erheblichen Beeinträchtigung des Austauschverhältnisses. Voraussetzung für die Anerkennung eines wichtigen Grundes sei daher, dass auf der Grundlage der negativen Gesundheitsprognose angenommen werden kann, dass der Arbeitgeber voraussichtlich im Durchschnitt mehr als 1/3 der jährlichen Arbeitstage mit Entgeltfortzahlung wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit belastet sein werde.[4] Die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist in diesen Fällen gewahrt, weil auch bei "häufigen Kurzerkrankungen" wie bei einer lang andauernden durchgehenden Arbeitsunfähigkeit ein sogenannter "Dauertatbestand" vorliegen kann. Bei Dauertatbeständen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sich der Kündigungssachverhalt und seine betrieblichen Auswirkungen fortwährend neu verwirklichen, lässt sich der Fristbeginn nach § 626 Abs. 2 BGB nicht eindeutig fixieren. Liegt solch ein Tatbestand vor, reicht es deshalb zur Fristwahrung aus, dass die Umstände, auf die sich der Kündigende stützt, auch noch bis mindestens 2 Wochen vor Zugang der Kündigung vorliegen.[5]

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