Rz. 3

Der Begriff der Pflegebedürftigkeit findet sich nicht in der Norm selbst, sondern lediglich in der Überschrift des Fünften Unterabschnitts vor § 44. In der Vorschrift wird die Pflegebedürftigkeit derart umschrieben, dass der Versicherte so hilflos sein muss, dass er für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens in erheblichem Umfang der Hilfe bedarf. Diese Definition entspricht derjenigen in § 35 BVG und in § 14 SGB XI a. F. Während in der sozialen Pflegeversicherung mit dem Zweiten Gesetzes zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und Änderung weiterer Vorschriften (Zweites Pflegestärkungsgesetz – PSG II) v. 21.12.2015 (BGBl. I 2424) ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff eingefügt wurde, blieb die Fassung des § 44 unverändert. Grundsätzlich ist von einem eigenständigen und umfassenden Begriff der Pflegebedürftigkeit und der Hilflosigkeit in der gesetzlichen Unfallversicherung auszugehen (Römer, in: Hauck/Noftz, SGB VII, § 44 Rz. 15).

 

Rz. 4

Der in der aktuellen Fassung des § 14 Abs. 1 SGB XI umschriebene Begriff der Pflegebedürftigkeit ist im Bereich der Unfallversicherung als Mindestmaßstab anzusehen (Römer, a. a. O.; Ricke, in: Kasskomm. SGB VII, § 44 Rz. 4). Anders als im Versorgungsrecht ist auch der hauswirtschaftliche Hilfebedarf bei der Beurteilung der Hilflosigkeit zu berücksichtigen (BSG, Urteil v. 26.6.2001, B 2 U 28/00 R). Anders als nach § 14 Abs. 1 Satz 3 SGB XI muss die Pflegebedürftigkeit nicht voraussichtlich für mindestens 6 Monate oder auf Dauer bestehen. Auch eine kürzere Zeit andauernde Pflegebedürftigkeit reicht aus (Bereiter-Hahn/Mehrtens, SGB VII, § 44 Rz. 5). Gemäß Abs. 1 ist der Hilfebedarf bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens der Gradmesser für das Bestehen der Pflegebedürftigkeit. Dabei kann auch weiterhin auf den Katalog der Verrichtungen nach § 14 SGB XI a. F. zurückgegriffen werden. Der Wortlaut des Abs. 1 wird durch das 8. SGB IV-ÄndG lediglich semantisch geändert. Der Gesetzgeber wollte den Wechsel vom staatlichen Fürsorgeprinzip hin zum Recht auf umfassende staatliche Teilhabe damit zum Ausdruck bringen (BT-Drs. 20/3900 S. 105). Dabei hat es der Gesetzgeber jedoch versäumt, den Wortlaut an die Neufassung des bereits ab 1.1.2017 geltenden Begriffs der Pflegebedürftigkeit in § 14 Abs. 1 SGB XI in der Fassung des 2. Pflegestärkungsgesetzes (PSG II) v. 21.12.2015 (BGBl. I S. 2424) anzupassen. Eine Änderung im Leistungsumfang ist mit der misslungenen gesetzgeberischen Aktion nicht verbunden (vgl. BT-Drs. 20/3900 S. 105).

 

Rz. 5

Die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens sind danach (vgl. BSG, SozR 3-2700 § 44 Nr. 1)

  • das Waschen, das Duschen, das Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, das Rasieren, die Darm- oder Blasenentleerung (Bereich der Körperpflege);
  • das mundgerechte Zubereiten der Nahrung, die Aufnahme der Nahrung (Bereich der Ernährung);
  • das Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, das An- und Auskleiden, das Gehen, das Stehen, das Treppensteigen, das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung (Bereich der Mobilität);
  • das Einkaufen, das Kochen, das Reinigen der Wohnung, das Spülen, das Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung, das Beheizen (Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung).
 

Rz. 6

Ferner sind die Kriterien nach der aktuellen Fassung des § 14 Abs. 2 SGB XI zu beachten:

  1. Mobilität: Positionswechsel im Bett, Halten einer stabilen Sitzposition, Umsetzen, Fortbewegen innerhalb des Wohnbereichs, Treppensteigen;
  2. kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Erkennen von Personen aus dem näheren Umfeld, örtliche Orientierung, zeitliche Orientierung, Erinnern an wesentliche Ereignisse oder Beobachtungen, Steuern von mehrschrittigen Alltagshandlungen, Treffen von Entscheidungen im Alltagsleben, Verstehen von Sachverhalten und Informationen, Erkennen von Risiken und Gefahren, Mitteilen von elementaren Bedürfnissen, Verstehen von Aufforderungen, Beteiligen an einem Gespräch;
  3. Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: motorisch geprägte Verhaltensauffälligkeiten, nächtliche Unruhe, selbstschädigendes und autoaggressives Verhalten, Beschädigen von Gegenständen, physisch aggressives Verhalten gegenüber anderen Personen, verbale Aggression, andere pflegerelevante vokale Auffälligkeiten, Abwehr pflegerischer und anderer unterstützender Maßnahmen, Wahnvorstellungen, Ängste, Antriebslosigkeit bei depressiver Stimmungslage, sozial inadäquate Verhaltensweisen, sonstige pflegerelevante inadäquate Handlungen;
  4. Selbstversorgung: Waschen des vorderen Oberkörpers, Körperpflege im Bereich des Kopfes, Waschen des Intimbereichs, Duschen und Baden einschließlich Waschen der Haare, An- und Auskleiden des Oberkörpers, An- und Auskleiden des Unterkörpers, mundgerechtes Zubereiten der Nahrung und Eingießen von Getränken, Essen, Trinken, Benutzen einer Toilette oder eines Toilettenstuhls, Bewältigen der Folgen einer Harninkontinenz und Umgang mit Dauer...

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