Rz. 5

Die Begründungspflicht für schriftliche oder elektronische VA oder schriftlich oder elektronisch bestätigte (auch zuvor mündlich erlassene) VA besteht grundsätzlich unabhängig von der Frage, ob es sich um einen begünstigenden, belastenden oder feststellenden VA handelt. Für belastende VA ergibt sich der Begründungszwang bereits aus rechtsstaatlichen Grundsätzen für die Eingriffsverwaltung. Die schriftliche Begründung, die auch zum Inhalt eines elektronisch erstellten Dokuments als VA gehört, dient dem Grunde nach der Überprüfbarkeit der Entscheidung, indem die tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen der Entscheidung dem Betroffenen bekannt gegeben und offenbart werden. Die Begründung ist dem VA beizufügen, was zusammen mit dem Verfügungssatz oder getrennt davon gesondert geschehen kann. Die Begründung gehört jedoch nicht mit zum Verfügungssatz des VA und wird damit auch nicht von dessen Bestandskraft erfasst. Die Begründungspflicht des § 35 ist aber auf eine formelle Begründungspflicht beschränkt. Die fehlerhafte oder unrichtige Begründung allein macht den VA aber nicht im Sinne einer zwingenden Aufhebung materiell rechtswidrig. Die fehlende oder fehlerhafte Begründung kann daher nach § 41 Abs. 1 Nr. 2 auch noch wirksam nachgeholt werden, was die Möglichkeit der rechtlich richtigen Begründung einschließt. Einer fehlenden Begründung stand eine später als 5 Monate nach Erlass des Verwaltungsaktes abgegebene Begründung gleich (BSGE 72 S. 214). Nach der Neufassung von § 41, der eine Nachholung der Begründung noch bis zur letzten Tatsacheninstanz ermöglicht, wird diese Rechtsprechung nicht mehr relevant sein können (Engelmann, in: v. Wulffen, SGB X, § 35 Rz. 8).

 

Rz. 6

Inhaltlich umfasst die Begründungspflicht die Darlegung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhaltes und der darauf angewandten Rechtsvorschriften. Die Begründung kann sich auf die wesentlichen, die Entscheidung im Einzelfall tragenden Gründe konzentrieren, muss also nicht auf alle Einzelheiten eingehen. Auch auf Vorbringen im vorhergegangenen Verwaltungsverfahren muss nicht im Einzelnen eingegangen werden.

 

Rz. 7

Auch im Bereich des Sozialversicherungsrechts kommt der Wiedergabe des für die Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts Bedeutung zu, da nur insoweit überprüft werden kann, von welchem Sachverhalt die Behörde bei der Beurteilung ausgegangen ist.

 

Rz. 8

Die Wiedergabe der tatsächlichen Gründe hat auch insoweit Bedeutung, als Rücknahme oder Widerrufsmöglichkeiten nach §§ 44ff. von den zugrunde gelegten tatsächlichen Verhältnissen des VA abhängen. Nur wenn die tatsächliche Grundlage der Entscheidung mitgeteilt ist, lässt sich der entscheidungserhebliche Sachverhalt – auch hinsichtlich der Ermittlungen im sozialgerichtlichen Verfahren – feststellen.

 

Rz. 9

Die Begründung muss darüber hinaus auch die rechtlichen Grundlagen für die getroffene Entscheidung erkennen lassen. Dazu gehört die Benennung der Rechtsnormen, auf die der Erlass des VA gestützt ist. Auslegungsbedürftige und unbestimmte Rechtsbegriffe sind zu erläutern, ggf. auch unter Hinweis auf eine durch die Rechtsprechung vorgenommene Auslegung, der gefolgt werden muss oder kann. Die rechtliche Begründung muss nicht in allen Fällen eine vollständige Subsumtion des Sachverhaltes unter die Rechtsnorm beinhalten, sondern kann sich auf das für eine Ablehnung entscheidende Tatbestandsmerkmal beschränken.

 

Rz. 10

Der Umfang der Begründung wird letztlich vom Einzelfall, dem Kenntnisstand des Empfängers und der Komplexität des Sachverhaltes für die getroffene Entscheidung bestimmt, wobei gerade auch die zugrunde liegende Rechtsmaterie und die tatbestandlichen Voraussetzungen einzelner Rechtsnormen den Begründungsinhalt und -umfang bestimmen. Auch Anhörung, Schriftwechsel und Besprechungen im Verlaufe des Verfahrens können den Umfang der dann noch erforderlichen Begründung beeinflussen. Dabei kann auch bei komplexeren Vorgängen auf Entscheidungen und Begründungen in anderen den Beteiligten bekannten Verfahren Bezug genommen werden, ohne dass diese explizit wiederholt werden müssten (vgl. BSG, Urteil v. 21.5.2003, B 6 KA 32/02 R). Ist die rechtliche Beurteilung von ärztlichen Begutachtungen oder Entscheidungen Dritter abhängig, sind diese jedenfalls mit ihrem wesentlichen Inhalt wiederzugeben. Eine mit Schlüsselzahlen (§ 33 Abs. 2 Satz 2) versehene Begründung entspricht nur dann den Vorgaben in § 35, wenn dem VA ein Schlüsselverzeichnis beigefügt ist und damit der Betroffene in die Lage versetzt wird, die Begründung zu entschlüsseln (Marschner, in: Pickel, SGB X, § 35 Rz. 10). Ähnlich wie bei der Begründung gerichtlicher Entscheidungen ist es zulässig, sich auf die Angabe der maßgebend tragenden Erwägungen zu beschränken. Das bedeutet, dass Gesichtspunkte und Umstände, die auf der Hand liegen oder dem Betroffenen bekannt sind, nicht nochmals ausführlich darzulegen sind (Engelmann, in: v. Wulffen/Schütze, SGB X, § 35 Rz. 5b m.w.N.).

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