2.3.1 Hälftiger Anpassungsfaktor (Satz 1)

 

Rz. 26

Mögliche Rentenerhöhungen führen nach Abs. 3 Satz 1 zur Abschmelzung des Ausgleichsbedarfs. Funktion des Abs. 3 Satz 1 ist es daher Rentenerhöhungen der Folgejahre um den etwaigen Ausgleichsbedarf der vorangegangenen Jahre konkret abzuschwächen, nach der gesetzlichen Anordnung des Satz 1 jedoch höchstens zur Hälfte (SG Nürnberg, Gerichtsbescheid v. 20.4.2016, S 16 R 1365/15, Rz. 18).

 

Rz. 27

Voraussetzungen für die Abschmelzung des Ausgleichsbedarfs:

  • der neue aktuelle Rentenwert führt zu einem höheren Wert als der bisherige aktuelle Rentenwert und
  • es muss überhaupt noch aus dem Vorjahr ein verrechenbarer Ausgleichsbedarf – was bei einem Faktor kleiner als 1,0000 der Fall ist – gegeben sein.
 

Rz. 28

In der Rechtsfolge bestimmt Satz 1 dann, dass der neue aktuelle Rentenwert abweichend von § 68 ermittelt wird; folglich der aus dem Vorjahr bestehende Ausgleichsbedarf abgeschmolzen wird. Satz 1 regelt dabei auch die grundlegende Modalität der Abschmelzung; der bisherige aktuelle Rentenwert wird mit dem hälftigen Anpassungsfaktor vervielfältigt.

 

Rz. 29

Die Abschmelzung des Ausgleichsbedarfs führt aber nicht zu einer "Nullrunde", da der durch die Anwendung der Schutzklausel entstandene Ausgleichsbedarf nicht durch eine vollständige Verrechnung mit möglichen Rentenerhöhungen abgeschmolzen wird. Hierzu heißt es in BT-Drs. 16/3794 S. 35: "Der sich aus dem Vergleich dieser Rentenwerte ergebende Anpassungsfaktor wird so lange nur zur Hälfte an die Rentenbezieher weitergegeben, als noch ein Ausgleichsbedarf besteht. Ist der Ausgleichsbedarf so weit abgeschmolzen, dass eine Halbierung des Anpassungsfaktors nicht mehr erforderlich ist, wird die Anpassung nur so weit reduziert, wie es zum Abbau des verbliebenen Restes notwendig ist." Im Interesse der Generationengerechtigkeit und mit Blick auf die Lohnorientierung der Rente erfolgt daher lediglich eine Halbierung möglicher Rentenerhöhungen.

2.3.2 Ermittlungskriterien des hälftige Anpassungsfaktors (Satz 2)

 

Rz. 30

Der hälftige Anpassungsfaktor wird ermittelt, indem der nach § 68 berechnete aktuelle Rentenwert durch den bisherigen aktuellen Rentenwert geteilt wird (Anpassungsfaktor) und dieser Anpassungsfaktor um 1 vermindert, durch 2 geteilt und um 1 erhöht wird.

2.3.3 Fortschreibung des Werts des Ausgleichsbedarfs (Satz 3)

 

Rz. 31

Satz 3 beinhaltet die Regelungen zur Fortschreibung des Werts des Ausgleichsbedarfs im Folgejahr. Der Wert des Ausgleichsbedarfs verändert sich, indem der im Vorjahr bestimmte Wert mit dem hälftigen Anpassungsfaktor vervielfältigt wird. Die Vorschrift dient damit dazu, die ggf. nach Abs. 3 Satz 1 noch notwendige Abschmelzung in den Folgejahren fortschreiben zu können, bis der Wert des Ausgleichsbedarfs sich egalisiert hat.

2.3.4 Deckelung (Satz 4)

 

Rz. 32

Satz 4 sieht eine Decklung vor, wenn nach den vorangegangenen Berechnungsschritten der Ausgleichsbedarf insbesondere nach der Anwendung des Satzes 3 den Wert 1,0000 übersteigt. Dann wird der bisherige aktuelle Rentenwert abweichend von Satz 1 mit dem Faktor vervielfältigt, der sich ergibt, wenn der Anpassungsfaktor mit dem im Vorjahr bestimmten Wert des Ausgleichsbedarfs vervielfältigt wird; der Wert des Ausgleichsbedarfs beträgt dann 1,0000. Der Ausgleichsbedarf darf daher nicht höher als 1,0000 ausfallen. Die Anpassung wird daher nur in dem Umfang reduziert, wie es zur Abschmelzung des verbliebenen Ausgleichsbedarfs notwendig ist.

 

Rz. 33

Das ist eine Konsequenz aus der mathematischen Funktion von Ausgleichsbedarf und Ausgleichsfaktor, die jeweils die Kehrwerte unterbliebener Rentenminderungen darstellen. Der Ausgleichsbedarf und der Ausgleichsfaktor sind deshalb desto geringer, je höher die unterbliebenen Rentenminderungen sind. Ist daher die Rentenminderung vollständig kompensiert, soll keine weitere Rentensteigerung stattfinden, deshalb muss der Ausgleichsbedarf auf 1,0000 gedeckelt werden. Diese Decklung stellt Satz 4 sicher.

 

Rz. 34

Sinn der Regelung ist, dass keine Überkompensation stattfindet.

2.3.5 Verfassungsrecht – Abschmelzung

 

Rz. 35

Es liegt kein Verfassungsverstoß in der Abschmelzung des Ausgleichsbedarfs (vgl. zutreffend und exemplarisch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 2.9.2015, L 8 R 405/14, Rz. 43; Bay. LSG, Urteil v. 26.6.2013, L 1 R 1046/12, Rz. 42, unter Berufung auf BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 26.7.2007, 1 BvR 824/03, zur Rechtmäßigkeit der Nullrunde 2014; vgl. auch Thüringer LSG, Urteil v. 16.12.2014, L 6 R 1919/12, Rz. 39). Das BVerfG und auch das BSG haben rentenrechtliche Nullrunden schon nicht beanstandet (BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 26.7.2007, 1 BvR 824/03, 1 BvR 1247/07; BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 3.6.2014, 1 BvR 79/09, 1 BvR 1235/09, 1 BvR 1298/09, 1 BvR 1701/09, 1 BvR 3148/10; BSG, Urteil v. 27.3.2007, B 13 R 37/06 R), dann kann im Wege des Erst-recht-Schlusses auch die Abschmelzung des Ausgleichsbedarfs kein unverhältnismäßiger Eigentumseingriff nach Art. 14 GG darstellen.

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