Rz. 5

Durch das Rentenanpassungs- und Erwerbsminderungsrenten-Bestandsverbesserungsgesetz v. 28.6.2022 (BGBl. I S. 975) wurde mit Wirkung zum 1.7.2022 § 255g (Ausgleichsbedarf ab dem 1. Juli 2021) neu geregelt und der sog. Nachholfaktor (legal definiert: Ausgleichsbedarf; zur Legaldefinition vgl. § 68 Abs. 1 Satz 2) wieder in Kraft gesetzt. Der Nachholfaktor war zuvor von der Großen Koalition durch die bis zum 30.6.2022 geltende Übergangsregelung noch bis zur Rentenangleichung Ost/West in der Zeit bis zum 30.6.2026 ausgesetzt. Damit greift der Nachholfaktor bereits mit der schon grundsätzlich beschlossenen Rentenanpassung ab 1.7.2022. Mit der vorzeitigen Wiedereinführung hat der Gesetzgeber ein zentrales Anliegen aus dem Koalitionsvertrag 2021 der Ampelkoalition umgesetzt (Koalitionsvertrag 2021, S. 73); der Nachholfaktor sollte in der Rentenberechnung rechtzeitig vor den Rentenanpassungen ab 2022 wieder aktiviert werden und im Rahmen der geltenden Haltelinien wirken.

 

Rz. 6

Damit hat der Gesetzgeber letztlich auf die sinkenden Löhne durch die COVID-19-Pandemie reagiert. Sinn des Nachholfaktors ist es daher, unterbliebene Rentenminderung durch die Verrechnung mit späteren Rentenerhöhungen nachzuholen (so auch die allgemeinen Erwägungen des Gesetzgebers zur Wiedereinführung des Nachholfaktors, vgl. BT-Drs.20/1680 S. 2 = BR-Drs. 170/22 S. 2). Dies dient letztlich der Generationengerechtigkeit, sichert den Generationenvertrag in der Rente und schützt die aktuellen Beitragszahler (vgl. insoweit auch bereits Rz. 2). Der Nachholfaktor entlastet damit die beitragszahlenden Versicherten, die nicht durch eine über Gebühr ausfallende Rentensteigerung zugunsten der Rentenbezieher benachteiligt werden sollten. Letztlich dient damit der Nachholfaktor einem stabilen Beitragssatz. Der Gesetzgeber rechnet mit der Einführung des Nachholfaktors mit bis zu 0,2 Prozentpunkten niedrigeren Beitragssätzen bis 2026 (BT-Drs.20/1680 S. 4 = BR-Drs. 170/22 S. 3), als ohne Wiedereinführung der Maßnahmen.

 

Rz. 7

Durch die vorzeitige Wiedereinführung des Ausgleichsbedarfs/Nachholfaktors fällt die Rentenanpassung zum 1.7.2022 etwas geringer aus, weil in diesem Jahr die vollständige Verrechnung des vorhandenen Ausgleichsbedarfs aus der unterbliebenen Rentenminderung des Vorjahres erfolgt (BT-Drs.20/1680 S. 3 = BR-Drs. 170/22 S. 3). Die aktuellen Rentenwerte sind ab 1.7.2022 auf 36,02 EUR (West) bzw. 35,52 EUR (Ost) gesetzlich festgesetzt worden (§ 1 des Gesetzes zur Bestimmung der Rentenwerte in der gesetzlichen Rentenversicherung und in der Alterssicherung der Landwirte und zur Bestimmung weiterer Werte zum 1.7.2022 – Rentenwertbestimmungsgesetz 2022 – RWBestG 2022, BGBl. I S. 975). Im Jahr 2022 wurde die Rentenanpassung ausnahmsweise per Gesetz geregelt, da gleichzeitig durch das Rentenanpassungs- und Erwerbsminderungsrenten-Bestandsverbesserungsgesetz v. 28.6.2022 Änderungen an der Berechnungsweise der aktuellen Rentenwerte Ost/West vorgenommen wurden. Ansonsten erfolgt der Bestimmung durch die Verordnung auf der Grundlage der Ermächtigungsregelungen in §§ 69, 255b.

 

Rz. 8

Zum Begriff, zur Entwicklung, zur Wirkweise und zur Ermittlung des Ausgleichsbedarfs wird auch auf die Komm. zu § 68a verwiesen, der die materiell-rechtliche Grundvorschrift zum Ausgleichsbedarf/Nachholfaktor beinhaltet und der insbesondere in seinem Abs. 1 Satz 2 eine Legaldefinition des Begriffs Ausgleichsbedarf beinhaltet.

 

Rz. 9

Der Ausgleichsbedarf beträgt ab dem 1.7.2021 0,9883 (auf 4 Stellen hinter dem Komma gerundet); das entspricht einem minus von 1,17 %. Damit wird der Ausgleichsbedarf einmalig für das Jahr 2021 kraft Gesetz festgelegt. Der Gesetzgeber hat infolge der Lohnentwicklung den notwendigen Ausgleichsbedarf 2021 bereits im Zuge des Rentenanpassungs- und Erwerbsminderungsrenten-Bestandsverbesserungsgesetzes v. 28.6.2022 errechnet (zu den insoweit umfangreichen und komplizierten Erwägungen zur Berechnung vgl. BT-Drs. 20/1680 S. 28 = BR-Drs. 170/22 S. 23). Mit dem Wert von 0,9883 wird daher die – um den Statistikeffekt bereinigte – unterbliebene Rentenminderung im Jahr 2021 in einem Ausgleichsbedarf erfasst und dieser mit künftigen Rentenanpassungen verrechnet.

 

Rz. 10

Durch die rechtliche Wiedereinführung des Ausgleichsbedarfs war durch die nicht vollzogene Minderung des Rentenwerts 2021 durch die gesunkenen Reallöhne auch der Ausgleichsbedarf wieder mit einem Wert unter 1,0000 auszuweisen. Zum 1.7.2021 ergab sich nämlich lediglich ein rechnerischer aktueller Rentenwert von 33,08 EUR (vgl. Rentenwertbestimmungsverordnung 2021 v. 31.5.2021, BGBl. I S. 1254, vgl. auch BR-Drs. 339/21 S. 16), was einem rechnerischen Anpassungssatz von minus 3,25 % entsprach. Die Rentengarantie i. S. d. Schutzklausel nach § 68a Abs. 1 stellte jedoch sicher, dass die Anwendung der Rentenanpassungsformel nicht zu einer Minderung des aktuellen Rentenwerts führte, sodass der aktuelle Rentenwert auch ab dem 1.7.2021 weiterhin mit 34,19 EUR festgesetzt wurde (BT-Drs. 20/1680 S. 27 = BR-Drs. ...

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