Rz. 14

Nach dem bis zum 31.12.1991 geltenden Recht konnte eine Zurechnungszeit (bis zur Vollendung des 55. Lebensjahres eines Versicherten) bei Berechnung von Renten wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit oder von Erziehungsrenten nur berücksichtigt werden, wenn ein Versicherter mindestens eine der folgenden Anrechnungsvoraussetzungen nachweisen konnte:

  • 36 Kalendermonate mit Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit in den letzten 60 Kalendermonaten vor Eintritt des Leistungsfalles oder
  • Nachweis der sog. Halbbelegung oder
  • Nachweis der verkürzten Halbbelegung.
 

Rz. 15

Diese Anrechnungsvoraussetzungen für die Berücksichtigung einer Zurechnungszeit als rentenrechtliche Zeiten sind durch das Inkrafttreten des SGB VI mit Wirkung zum 1.1.1992 weggefallen. Voraussetzung für die rentenrechtliche Anerkennung einer Zurechnungszeit ist seitdem der Eintritt von Erwerbsminderung i. S. v. § 43 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2, § 240 Abs. 2, § 43 Abs. 2, § 44 Abs. 2 i. d. F. bis 31.12.2000 oder des Todes eines Versicherten vor Vollendung seines 60. Lebensjahres (bei Rentenbeginn ab 1.7.2014 = vor Vollendung des 62. Lebensjahres) oder die Erfüllung der Voraussetzungen für einen Anspruch auf Erziehungsrente (§ 47) vor diesem Zeitpunkt (§ 59).

Nach Abs. 1 Nr. 4 der Vorschrift sind Zeiten des Bezuges einer Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit oder einer Erziehungsrente vor Vollendung des 55. Lebensjahres eines Versicherten, in denen eine Zurechnungszeit – bei Rentenbeginn vor dem 1.1.1992 – nur wegen fehlender Anrechnungsvoraussetzungen nicht enthalten war, nunmehr als Anrechnungszeiten anzuerkennen. Abs. 1 Nr. 4 ergänzt insoweit die Grundnorm für die Anerkennung von Rentenbezugszeiten als Anrechnungszeiten, die in § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 enthalten ist.

Beitragsfreie Anrechnungszeiten aufgrund von Rentenbezugszeiten ohne Zurechnungszeit (Abs. 1 Nr. 4) erhalten bei der Berechnung von Renten gemäß § 71 Abs. 1 den vollen Gesamtleistungswert für beitragsfreie Zeiten (Umkehrschluss aus § 74, § 263 Abs. 2a, Abs. 3).

 
Praxis-Beispiel

Der Versicherte, geb. am 3.5.1952, bezog in der Zeit vom 1.5.1988 bis 30.4.1991 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, in der wegen fehlender Anrechnungsvoraussetzungen eine Zurechnungszeit nicht enthalten war. Der Leistungsfall der Erwerbsunfähigkeit ist bereits am 5.9.1987 eingetreten. Wegen verspäteter Antragstellung konnte die Rente jedoch erst ab 1.5.1988 geleistet werden.

Im September 2015 erfüllt der Versicherte die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Altersrente für langjährig Versicherte (§ 236).

Lösung:

Der am 3.5.1952 geborene Versicherte vollendete am 2.5.2007 sein 55. Lebensjahr (§ 26 SGB X, §§ 187 Abs. 2, 188 Abs. 2 BGB). In der Zeit vom 1.5.1988 bis 30.4.1991 bezog er eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, in der eine Zurechnungszeit wegen fehlender Anrechnungsvoraussetzungen nicht enthalten war, so dass eine Anerkennung dieser Zeit als Anrechnungszeit gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 nicht in Betracht kommt. Da die gesamte Rentenbezugszeit vor der Vollendung des 55. Lebensjahres des Versicherten zurückgelegt worden ist, ist die Zeit vom 1.5.1988 bis zum 30.4.1991 als Anrechnungszeit gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 4 anzuerkennen und bei Berechnung des Monatsbetrags der Altersrente für langjährig Versicherte mit dem vollen Gesamtleistungswert für beitragsfreie Zeiten (§ 71 Abs. 1) zu bewerten.

Rentenbezugszeiten ohne Zurechnungszeit vor dem 1.1.1957

 

Rz. 16

Die Berücksichtigung der Zurechnungszeit als rentenrechtliche Zeit wurde mit dem Inkrafttreten der Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetze (ArVNG, AnVNG, KnVNG) mit Wirkung zum 1.1.1957 eingeführt. Rentenbezugszeiten vor Vollendung des 55. Lebensjahres sind deshalb nach Abs. 1 Nr. 5 der Vorschrift auch als Anrechnungszeiten anzuerkennen, wenn ein Versicherter vor Vollendung seines 55. Lebensjahres eine Invalidenrente, ein Ruhegeld oder eine Knappschaftsvollrente bezogen hat, diese Leistung bereits vor dem 1.1.1957 weggefallen ist und nur deshalb keine Zurechnungszeit in der Rente enthalten war. Dieser Anrechnungszeitentatbestand dürfte allerdings infolge Zeitablaufs in der Praxis von untergeordneter Bedeutung sein.

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