Rz. 13

§ 203 Abs. 2 regelt, dass ein Beitrag als gezahlt gilt (= Beitragsfiktion), wenn Versicherte glaubhaft machen, dass der auf sie entfallende Beitragsanteil von ihrem Arbeitsentgelt abgezogen worden ist.

Die Anerkennung von Beitragszeiten (§ 55 Abs. 1) ist danach auch zulässig, wenn Versicherte zwar die Ausübung einer versicherten Beschäftigung nachweisen, die Abführung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung aber weder nachgewiesen noch glaubhaft ist. Eine Beitragsfiktion nach § 203 Abs. 2 ist selbst dann zulässig, wenn ein Arbeitgeber als Beitragsschuldner (§ 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV) fällige Sozialversicherungsbeiträge nachweislich hinterzogen hat. Dies muss schon deshalb gelten, weil für die Kontrolle der ordnungsgemäßen Beitragsabführung nach den einschlägigen Rechtsvorschriften (§§ 28a ff. SGB IV i. V. m. der DEÜV; bis zum 31.12.1998 i. V. m. der DEVO/DÜVO) nicht die Versicherten selbst, sondern die Einzugsstellen (§ 28h Abs. 1 und 2 SGB IV) sowie die Träger der Rentenversicherung (§ 28p SGB IV) zuständig sind.

§ 203 Abs. 2 beinhaltet eine Schutzregelung für Versicherte, deren Arbeitgeber auf der Grundlage des § 28g Satz 1 SGB IV den auf sie entfallenden Teil am Sozialversicherungsbeitrag von ihrem Arbeitsentgelt einbehalten haben und die deshalb auf die ordnungsgemäße Abführung ihrer Rentenversicherungsbeiträge vertrauen durften.

 

Rz. 14

Eine Beitragsfiktion nach § 203 Abs. 2 ist darüber hinaus auch bei sog. Nettolohnvereinbarungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern (§ 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IV) zulässig; in diesen Fällen hat der Arbeitgeber als Beitragsschuldner (§ 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV) aus dem tatsächlich gezahlten Nettoarbeitsentgelt das Bruttoarbeitsentgelt seines Beschäftigten zu ermitteln, das dann als Beitragsbemessungsgrundlage für die Berechnung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (maximal bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze) heranzuziehen ist. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung wird der Arbeitnehmerbeitragsanteil in diesen Fällen faktisch mit jeder Auszahlung des Nettolohns "vom Arbeitsentgelt des Arbeitnehmers abgezogen" und erfüllt damit den von § 203 Abs. 2 geforderten "Tatbestand des Lohnabzugs" (BSG, Urteil v. 16.12.1981, 11 RA 39/81).

Durch das Gesetz zur Erleichterung der Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit v. 23.7.2002 (BGBl. I S. 2787) wurde § 14 Abs. 2 SGB IV mit Wirkung zum 1.8.2002 insoweit ergänzt, als ein Nettoarbeitsentgelt zwischen Arbeitgebern und Versicherten als vereinbart gilt, wenn bei einer illegalen Beschäftigung sowohl Steuern als auch Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung nicht gezahlt worden sind (§ 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV).

Eine Beitragsfiktion i. S. v. § 203 Abs. 2 ist grundsätzlich auch für Zeiten des Bezuges von Entgeltersatzleistungen zulässig, für die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung bestanden hatte; dies gilt allerdings nur, wenn ein Versicherter nach den jeweils maßgebenden beitragsrechtlichen Regelungen an der Beitragstragung beteiligt gewesen ist (vgl. hierzu auch Komm. zu Rz. 4); diese Tatsache kann z. B. durch Leistungsbescheide des jeweiligen Leistungsträgers nachgewiesen werden.

 

Rz. 15

Eine Beitragsfiktion nach § 203 Abs. 2 ist dagegen nicht vorzunehmen, wenn

  • Beiträge durch Verwendung von Beitragsmarken gezahlt wurden (= bis 28.6.1942 in der ARV, bis 30.6.1942 in der ANV, bis 31.12.1942 in der knRV),
  • Versicherungspflicht nach den im jeweiligen Zeitraum geltenden Regelungen nicht bestanden hat; dies gilt selbst dann, wenn ein Arbeitgeber Arbeitnehmerbeitragsanteile in der irrtümlichen Annahme der Versicherungspflicht einbehalten hatte,
  • eine Beitragszahlung im Insolvenzverfahren (§ 175 SGB III; bis zum 31.3.2012 = § 208 SGB III) nicht glaubhaft gemacht werden kann,
  • ein Arbeitgeber Rentenversicherungsbeiträge für einen sog. Geringverdiener gemäß § 20 Abs. 3 SGB IV in voller Höhe allein zu tragen hatte,
  • Versicherte als sog. "Selbstzahler" die Beiträge nicht an die Einzugsstelle abgeführt und damit die unterbliebene Beitragszahlung selbst zu verantworten hatten (gemäß § 1398 RVO, § 120 AVG jeweils i. d. F. bis 31.12.1988 konnten krankenversicherungspflichtige Ersatzkassenmitglieder den vollen Beitrag – Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil – anstelle des Arbeitgebers an die Einzugsstelle abführen und sich den Arbeitgeberbeitragsanteil erstatten lassen),
  • Bezieher von Entgeltersatzleistungen nicht an der Beitragstragung beteiligt gewesen sind (z. B. bei Bezug von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Krankengeld in Höhe einer Leistung der Agentur für Arbeit).
 

Rz. 16

Voraussetzung für eine Beitragsfiktion i. S. v. § 203 Abs. 2 ist die Glaubhaftmachung des Abzugs des vom Versicherten zu tragenden Beitragsanteils zur gesetzlichen Rentenversicherung. Darüber hinaus dürfen keine Tatsachen ersichtlich sein, die gegen eine Anerkennung der versicherungsrechtlichen Lücke als Beitragszeit sprechen könnten (z. B. eine Beitragserstattung gemäß § 210 oder § 26 Abs. 2 SGB IV).

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