Rz. 34

Die Versicherungspflichttatbestände des § 2 sind insgesamt verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das haben BVerfG und BSG immer wieder bestätigt.

 

Rz. 35

Die Begründung einer Versicherungspflicht gemäß § 2 Satz 1 Nr. 1 verstößt nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG; auch der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG ist nicht berührt. Durch die Zwangsmitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung und die damit verbundenen Beitragspflichten ist auch Art. 2 Abs. 1 GG nicht verletzt (BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 26.6.2007, 1 BvR 2204/00; so auch BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 2.4.2009, 1 BvR 2405/06).

 

Rz. 36

Die Einbeziehung von selbstständigen Physiotherapeuten ohne versicherungspflichtigen Arbeitnehmer in die für "Pflegepersonen" nach § 2 Satz 1 Nr. 2 geltende Rentenversicherungspflicht überschreitet nicht die Grenzen zulässiger Gesetzesauslegung (BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 25.4.2016, 1 BvR 1147/12). Die Versicherungspflicht der selbstständigen Physiotherapeuten ist vereinbar mit dem Grundgesetz (BSG, Urteil v. 11.11.2003, B 12 RA 2/03 R –, Rz. 20). Es bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine Versicherungspflicht von Tagesmüttern als selbstständige Erzieherinnen; insbesondere verletzt dies nicht Art. 2 Abs. 1 GG (BSG, Urteil v. 22.6.2005, B 12 RA 12/04 R, Rz. 15). Auch die Verfassungsmäßigkeit der Versicherungspflicht von selbstständigen Lehrern hat das BSG bejaht (BSG, Urteil v. 12.10.2000, B 12 RA 2/99 R). Die Einbeziehung arbeitnehmerähnlicher Selbstständiger nach Nr. 9 in die Rentenversicherungspflicht verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG und auch nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG (BSG, Urteil v. 10.5.2006, B 12 RA 2/05 R; vgl. auch BSG, Urteil v. 9.11.2011, B 12 R 1/10 R).

 

Rz. 37

Art. 3 Abs. 1 GG gebietet es im Übrigen auch nicht, die einschränkende Voraussetzung des § 2 Satz 1 Nr. 9 Buchst. b in den Versicherungspflichttatbestand des § 2 Satz 1 Nr. 1 zu "übernehmen" (BSG, Urteil v. 27.9.2007, B 12 R 12/06 R; BSG, Urteil v. 5.7.2006, B 12 RA 4/05 R; die gegen die Entscheidung des BSG v. 5.7.2006 eingelegte Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 2.4.2009, 1 BvR 2405/06).

 

Rz. 38

Auch ein "strukturelles Vollzugsdefizit" bei der Erfassung von selbstständigen Lehrern stellt keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG dar. Im Gegensatz zum strukturellen Vollzugsdefizit im Steuerrecht besteht im Rentenrecht in der Form des Versicherungsschutzes eine werthaltige Gegenleistung zur Beitragszahlungspflicht des Versicherten. Zwar können solche Vollzugsdefizite zu einer Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes führen, wenn der Gesetzgeber bewusst Lücken in der Normdurchsetzung wahrnimmt und diese trotz bestehender Handlungsalternativen nicht schließt. Die zum Steuerrecht ergangene Rechtsprechung des BVerfG kann jedoch nicht auf das Sozialrecht übertragen werden. Im Gegensatz zum Steuerrecht dient die Beitragserhebung nicht allein dem Fiskus. Vielmehr erwächst dem Betroffenen aus dem umfassenden Schutz durch die sozialen Sicherungssysteme sogar ein Vorteil. Als sich Defizite ergeben hätten, hat der Gesetzgeber in § 190a eine verschärfte, bußgeldbewehrte Meldepflicht eingeführt (BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 26.6.2007, 1 BvR 2204/00, Rz. 18; vgl. zu den Meldepflichten auch unter Rz. 99 ff. – Meldepflichten; § 190a u. a.). Insofern greift der Staat hier auch nicht – wie im Steuerrecht – auf das Vermögen des Einzelnen zu, ohne diesem eine individuelle Gegenleistung zu gewähren. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG lässt sich daher nicht begründen (zutreffend insoweit auch Körner, DRV 2013, 34).

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