Der Fall

Der Arbeitnehmer war vom 18.1.2016 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 28.2.2019 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Streitig war der Urlaubsanspruch aus 2016: Der Arbeitnehmer verlangte Abgeltung für 30 Tage Urlaub aus 2016 (20 Tage gesetzlicher Mindesturlaub und 10 Tage tarifvertraglicher Mehrurlaub). Der Arbeitgeber berief sich auf einen Verfall des Urlaubs, der Arbeitnehmer hielt ihm entgegen, dass er ihn nicht über den Verfall belehrt habe. Der Arbeitgeber wiederum wandte ein, das sei nicht möglich gewesen, weil der Arbeitnehmer schon ab dem 18.1.2016 dauerhaft erkrankt gewesen sei.

Die Entscheidung (BAG, Urteil v. 31.1.2023, 9 AZR 107/20)

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat 25 Urlaubstage als verfallen angesehen, 5 Urlaubstage stehen dem Arbeitnehmer aber möglicherweise noch zu. Die Erfüllung der Pflicht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer transparent und tatsächlich zur Inanspruchnahme des Urlaubs aufzufordern (Mitwirkungsobliegenheit) ist grundsätzlich Voraussetzung dafür, dass der Urlaub bei Langzeitkrankheit 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres verfällt. Dies gilt aber nur, wenn der Arbeitgeber überhaupt die Zeit gehabt hat, seinen Obliegenheiten nachzukommen. Insoweit ist dem Arbeitgeber in Anlehnung an § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB (unverzüglich) und § 3 BUrlG zumindest 1 Urlaubswoche zu Beginn des Kalenderjahres für die Erfüllung seiner Hinweispflicht zuzugestehen. Außerdem gilt: Erkrankt der Arbeitnehmer am Anfang des Urlaubsjahres so früh, dass selbst bei ordnungsgemäßer Aufforderung eine vollständige Gewährung des gesamten Jahresurlaubs nicht möglich gewesen ist, bleibt dem Arbeitnehmer nach Ablauf der 15-Monatsfrist nur die Anzahl von Urlaubstagen erhalten, die er bei (rechtzeitiger) Erfüllung der arbeitgeberseitigen Mitwirkungsobliegenheit bis zur Erkrankung hätte nehmen können. Dies waren im streitgegenständlichen Fall 5 Urlaubstage: Die Arbeitgeberin hat bis Freitag, 8.1.2016, Zeit gehabt, ihrer Mitwirkungsobliegenheit zu genügen und der Kläger war noch vom 11.1.2016 (Montag) bis 16.1.2016 (Freitag) arbeitsfähig. Der Fall wurde zurückverwiesen, damit das Landesarbeitsgericht prüfen kann, ob der beklagten Arbeitgeberin die Erfüllung ihrer Mitwirkungsobliegenheit in der ersten Januarwoche möglich gewesen ist.

Grundsätzlich empfiehlt sich, die Belehrung des Arbeitnehmers über den Verfall des Urlaubs stets zu Jahresanfang und innerhalb der ersten Urlaubswoche vorzunehmen.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge