Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs bei Abschluss eines Aufhebungsvertrags nit Entlassungsentschädigung unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist

 

Orientierungssatz

1. Ist ein Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag gegen Zahlung einer Abfindung einvernehmlich unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist beendet worden, so kommt der Anspruch auf Arbeitslosengeld wegen Zahlung der Entlassungsentschädigung nicht zum Ruhen.

2. Dies gilt auch für die Fälle, in denen dem Arbeitgeber tarifvertraglich die ordentliche Kündigung nur noch für den Fall des Bestehens eines Sozialplans vorbehalten ist und der Sozialplan für den betroffenen Arbeitnehmer eine Abfindung vorsieht, vgl. BSG, Urteil vom 29. Januar 2001 - B 7 AL 62/99 R.

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 26. September 2011 (S 3 AL 302/10) wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Arbeitslosengeld erst ab 24. Dezember 2010 zu gewähren ist.

II. Die Beklagte hat auch die der Klägerin entstandenen notwendigen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist das Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs der Klägerin im Zeitraum vom 1. Oktober 2010 bis 30. März 2011 wegen der Zahlung einer Entlassungsentschädigung.

Die 1954 geborene Klägerin war in der Zeit vom 18. April 1995 bis 30. September 2010 in einem Call-Center, welches zunächst von der XY. AG und später von der XY. Service-Center B-Stadt GmbH in B-Stadt betrieben wurde, zuletzt als freigestellte Betriebsratsvorsitzende, beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis bestand zunächst mit der XY. AG und später nach einem Betriebsübergang gemäß § 613 a BGB zu der XY. Service-Center B-Stadt GmbH - einer hundertprozentigen Tochter der XY. AG. Dieses Beschäftigungsverhältnis wurde durch Aufhebungsvertrag vom 30. März 2010 zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 75.060,00 Euro mit Ablauf des 30. September 2010 beendet. Am 29. Juli 2010 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld.

Durch Bescheid vom 30. September 2010 stellte die Beklagte den Eintritt einer 12-wöchigen Sperrzeit im Zeitraum vom 1. Oktober bis 23. Dezember 2010 fest und führte zur Begründung aus, die Klägerin habe ihr Beschäftigungsverhältnis durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages selbst gelöst. Unerheblich sei, ob die Initiative zum Abschluss des Aufhebungsvertrages von ihr oder dem ehemaligen Arbeitgeber ausgegangen sei. Entscheidend sei, dass der Aufhebungsvertrag ohne die Zustimmung der Klägerin nicht zu Stande gekommen wäre. Sie habe voraussehen müssen, dass sie dadurch arbeitslos werde. Ein wichtiger Grund für das Verhalten sei nicht mitgeteilt worden.

Durch weiteren Bescheid vom 30. September 2010 stellte die Beklagte den Eintritt des Ruhens des Arbeitslosengeldbezuges im Zeitraum vom 1. Oktober 2010 bis 30. März 2011 fest und führte zur Begründung aus, die Klägerin habe eine Abfindung in Höhe von 75.060,00 Euro erhalten. Der Anspruch ruhe, da der Arbeitgeber ihr nur bei Zahlung einer Abfindung hätte ordentlich kündigen können. Hiermit werde sie so behandelt, als hätte sie eine Kündigungsfrist von 12 Monaten. Diese Frist sei nicht eingehalten worden, so dass Leistungen erst nach dem Ruhenszeitraum erhalten werden könnten.

Gegen beide Bescheide ließ die Klägerin durch Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 28. Oktober 2010 Widerspruch einlegen. Unter Verweis auf den zwischen der XY. Service-Center B-Stadt GmbH und ihrem Betriebsrat unter dem 15. Februar 2010 vereinbarten Interessenausgleich sowie Sozialplan und den darin in Bezug genommenen Tarifvertrag Schutzabkommen sowie die ebenfalls unter dem 15. Februar 2010 zwischen der XY. Service-Center B-Stadt GmbH und ihrem Betriebsrat geschlossene Betriebsvereinbarung werde erkennbar, dass seitens der Arbeitgeberin der Klägerin beabsichtigt war, die Betriebstätigkeit in B-Stadt vollständig einzustellen, mit der Folge, dass ein weiterer Einsatz der Arbeitnehmer bundesweit nur an anderen Orten möglich gewesen sei. Im Falle der Vermittlung eines solchen Arbeitsplatzes, der nach den betriebsinternen Bedingungen als zumutbar gegolten hätte, wäre gemäß § 2 Abs. (3) des Sozialplans jeder Abfindungsanspruch entfallen. Zudem lebe die Klägerin im Hause ihrer damals 76 und 78 Jahre alten Eltern, die zunehmend pflegebedürftig würden und auf ihre Versorgung und Unterstützung angewiesen wären. Insofern habe die Klägerin von Anfang an absehen können, dass sie nicht an einem weit entfernten anderen Ort arbeiten könne und habe vor diesem Hintergrund den Aufhebungsvertrag akzeptiert. Diese Umstände seien als wichtiger Grund im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 SGB III zu beurteilen, so dass die Voraussetzungen für eine Sperrzeit nicht gegeben seien. Zudem sei festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages am 30.03.2010 ordentlich un...

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