Entscheidungsstichwort (Thema)

Wahl freizustellender Betriebsratsmitglieder

 

Leitsatz (amtlich)

Bei Gewährung einer weiteren Freistellung durch den Arbeitgeber (über die Staffel des § 38 Abs. 1 BetrVG hinaus) findet eine Nachwahl des zusätzlich freizustellenden Betriebsratsmitglieds statt. Diese erfolgt durch Mehrheitswahl, wenn auch die ursprüngliche Freistellungswahl eine Mehrheitswahl war. Erfolgte die ursprüngliche Wahl durch Verhältniswahl, muss aus Gründen des Minderheitenschutzes auch die weitere Wahl (und zwar aller freizustellenden Betriebsratsmitglieder) durch Verhältniswahl stattfinden.

 

Normenkette

BetrVG § 38 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 09.12.2008; Aktenzeichen 12 BV 451/08)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 20.01.2010; Aktenzeichen 7 ABN 91/09)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 09. Dezember 2008 – 12 BV 451/08 – wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit einer am 11. Juni 2008 erfolgten Wahl eines freizustellenden Betriebsratsmitglieds. Im Betrieb der Beteiligten zu 4) (Arbeitgeberin) ist der aus 13 Mitgliedern bestehende Betriebsrat (Beteiligter zu 3)) gebildet. Die Beteiligten zu 1), 2) und 5) sind Mitglieder des Betriebsrats. Zur Betriebsratswahl im Jahr 2006 waren drei Listen angetreten. Eine Liste wurde durch den Beschäftigten A angeführt und erhielt sieben Sitze, die zweite Liste wurde von der Beschäftigten B angeführt und erhielt drei Sitze. Ebenfalls drei Sitze entfielen auf die vom Mitarbeiter C, dem Beteiligten zu 2), angeführte dritte Liste.

In der konstituierenden Betriebsratssitzung vom 24. Mai 2006 wurde die Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder durchgeführt. Zu wählen waren zwei freizustellende Betriebsratsmitglieder. Die Wahl erfolgte nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl, da es für diese Wahl nur eine Wahlvorschlagsliste gab. Auf das Protokoll der Sitzung vom 24. Mai 2006 (BI. 17, 89 d. A.) wird Bezug genommen. Gewählt wurden Herr A und Frau B, das sind der Betriebsratsvorsitzende und seine Stellvertreterin.

Im Jahr 2008 war die Arbeitgeberin bereit, dem Betriebsrat aufgrund der Vielzahl der im Betrieb zu erledigenden Angelegenheiten eine weitere Freistellung zu gewähren. In der Betriebsratssitzung vom 11. Juni 2008, zu der mittels Einladung vom 6. Juni 2008 (Bl. 22 ff. d. A.) eingeladen und der Tagesordnungspunkt 9 (Beschlussfassung zur Freistellung im Betriebsrat) mit Mail vom 10. Juni 2008 den Betriebsratsmitgliedern bekannt gegeben wurde, wurde die Wahl eines weiteren freizustellenden BetriebsratsmitgIieds durchgeführt. Diese Wahl wurde ebenfalls im Wege der Mehrheitswahl durchgeführt. Es kandidierten die Betriebsratsmitglieder D (Beteiligter zu 2)) und Dr. E (Beteiligter zu 5). Mit 9 zu 3 Stimmen und einer Enthaltung wurde Herr Dr. E als freizustellendes Betriebsratsmitglied gewählt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll (Bl. 18 ff. d. A.) Bezug genommen.

Mit der am 25. Juni 2008 per Telefax beim Arbeitsgericht eingegangenen Antragsschrift haben die Beteiligten zu 1) und 2) die Wahl vom 11. Juni 2008 angefochten. Sie sind der Auffassung gewesen, diese sei unwirksam. Anstelle der durchgeführten Mehrheitswahl hätte eine Neuwahl aller freizustellenden Betriebsratsmitglieder im Wege der Verhältniswahl erfolgen müssen. Dies sei aus Gründen des Minderheitenschutzes erforderlich und müsse unabhängig davon gelten, ob die ursprüngliche Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder als Verhältnis- oder als Mehrheitswahl stattgefunden habe. Der Minderheitenschutz müsse nämlich immer wahlbezogen betrachtet werden. Wahlvorschläge ebenso wie die Entscheidung einer Minderheit, auf einen eigenen Wahlvorschlag zu verzichten, bezögen sich immer nur auf eine ganz bestimmte Wahl unter Berücksichtigung der Anzahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder. Bei einer späteren Erweiterung der Anzahl freizustellender Betriebsratsmitglieder werde den ursprünglichen Wahlvorschlägen und ebenso der Entscheidung, keinen eigenen Wahlvorschlag einzureichen, die Grundlage entzogen.

Die Beteiligten zu 1) und 2) haben beantragt,

die Wahl von Herrn Dr. E zum freigestellten Betriebsratsmitglied vom 11. Juni 2008 für unwirksam zu erklären.

Der Beteiligte zu 3) hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Beteiligte zu 3) ist der Auffassung gewesen, die zusätzliche Freistellung habe nach den Grundsätzen zu erfolgen, nach denen auch die ursprüngliche Freistellungswahl erfolgt sei. Zwar diene die Verhältniswahl dem Schutz der Minderheit im Betriebsrat. Wenn sich jedoch die Minderheit dazu entschlossen habe, mit der Mehrheit gemeinsam zu kandidieren, so könne diese Entscheidung nicht durch eine weitere spätere Wahl wieder revidiert werden. Die Minderheit hätte sonst die Möglichkeit, eine demokratisch korrekt erfolgte Wahl rückgängig zu machen. Dies sei aber nicht Sinn und Zweck des Minderheitenschutzes. Zudem...

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