Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch eines Betriebsratsmitglieds auf Unterlassung des Ausspruchs einer Abmahnung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Macht das Betriebsratsmitglied einen Anspruch auf Unterlassung des Ausspruchs einer Abmahnung geltend, kommt grundsätzlich sowohl das Urteils- als auch das Beschlussverfahren in Betracht.

2. Zumindest dann, wenn ein hinreichender Bezug zu der betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung des Mandatsträgers gegeben ist, kann er seinen Anspruch auch im Beschlussverfahren verfolgen. Ein Anspruch auf Untersagen von Maßnahmen, die die Betriebsratstätigkeit behindern, kann dann aus § 78 Satz 1 BetrVG folgen.

 

Normenkette

BetrVG § 78 S. 1; ArbGG § 48 Abs. 1; GVG § 17 a; BGB §§ 1004, 242, 611; GG Art. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 11.01.2017; Aktenzeichen 17 BVGa 784/16)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt a.M. vom 11. Januar 2017 - 17 BVGa 784/16 - aufgehoben.

Das Beschlussverfahren ist die richtige Verfahrensart.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens über die Frage, ob die Rechtsstreitigkeit im Beschluss- oder Urteilsverfahren zu führen ist.

Die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 2. ist ein Telekommunikationsunternehmen. Der Antragsteller ist der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende des dort gebildeten Betriebsrats.

Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Verfügung, es der Beteiligten zu 2. zu untersagen, ihm eine Abmahnung auszusprechen mit dem Inhalt, dass er 100 % seiner Arbeitszeit für Betriebsratstätigkeit aufwendet und deshalb die arbeitsvertragliche Arbeitsleistung nicht erbringe.

Er behauptet, dass es eine Vereinbarung mit seinem Vorgesetzten A gebe, wonach er unmittelbar nach seiner Wahl im Jahr 2013 zu 100 % seiner Arbeitstätigkeit freigestellt werde und ausschließlich Betriebsratstätigkeit erbringen solle. Diese Vereinbarung sei zwar nicht schriftlich niedergelegt worden, habe aber in verschiedenen Unterlagen einen Niederschlag gefunden.

Mit E-Mail von 7. November 2016 ist er durch die Standortleiterin aufgefordert worden, eine Tätigkeit im Rahmen seiner Arbeitsleistung zu erbringen. Hierauf antwortete er mit E-Mail vom selben Tag und legte dar, dass er aufgrund einer Vereinbarung mit seinen Dienstvorgesetzten freigestellt worden sei.

Der Antragsteller hat gemeint, dass das Beschlussverfahren eröffnet sei. Er stützte seinen Anspruch auf Unterlassung zumindest auch auf die Regelung des § 78 Satz 1 und 2 BetrVG. Der Betriebsrat als Gremium sei dringend darauf angewiesen, dass der Antragsteller seine Betriebsratstätigkeit weiterhin ungestört ausüben könne, ohne disziplinarrechtlichen Androhungen ausgesetzt zu sein.

Die Beteiligte zu 2. vertritt die Auffassung, dass das Beschlussverfahren nicht die richtige Verfahrensart sei. Das Begehren stelle keine Angelegenheit des Betriebsverfassungsgesetzes dar. Der Antragsteller beabsichtige mit dem Verfahren, einer Sanktion einer individualrechtlichen Verpflichtung, nämlich derjenigen zur Arbeitsleistung, entgegenzuwirken. Die Erbringung der Arbeitsleistung betreffe den individualrechtlichen Bereich, nicht die Pflichten aus dem BetrVG.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat mit Beschluss vom 11. Januar 2017 die Anträge in das Urteilsverfahren verwiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, bei dem Antrag, es der Beteiligten zu 2. zu untersagen, eine Abmahnung auszusprechen, handele es sich um eine individualrechtliche Streitigkeit. Der erforderliche Bezug zur Betriebsverfassung folge auch nicht aus § 78 BetrVG. Der Antragsteller habe auch nicht dargelegt, dass die Voraussetzung einer Freistellung nach §§ 37 Abs. 2 oder 38 BetrVG vorgelegen hätten. Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Beschlusses erster Instanz wird verwiesen auf Bl. 97 bis 103 der Akte.

Dieser Beschluss ist dem Antragsteller am 19. Januar 2017 zugestellt worden. Ihm war eine Rechtsbelehrung beigefügt, die eine Frist zur Einlegung der Beschwerde von einem Monat vorsah. Hiergegen hat der Antragsteller am 6. Februar 2017 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht sofortige Beschwerde eingelegt.

Der Antragsteller meint, dass das Beschlussverfahren die richtige Verfahrensart sei. Es ginge darum, disziplinarrechtliche Maßnahmen der Arbeitgeberin ihm gegenüber zu verhindern, die ihre Begründung darin hätten, dass er zu 100 % seiner Arbeitszeit mit der Erfüllung von Aufgaben verbringe, die ihm als Betriebsratsmitglied obliegen würden. Irgendwelche individualrechtlichen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis seien hingegen nicht betroffen. Für die gesamte Zeit habe auch durchgängig ein Befreiungsanspruch aus § 37 Abs. 2 BetrVG bestanden. Diese Norm habe ausschließlich betriebsverfassungsrechtlichen Charakter. Zwischenzeitlich habe die Arbeitgeberin drei Abmahnungen ausgesprochen, die vom 12. Januar, 13. Januar sowie 27. Januar 2017 datieren. Das Arbeitsgericht habe in einer Parallelsache mit Be...

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