Rz. 20

Die Norm dient nicht dem Schuldnerschutz. Sie soll vielmehr dem Gläubiger die Möglichkeit eröffnen, die Pfändbarkeit des Einkommens des Schuldners zu erweitern, wenn ein Unterhaltsberechtigter über eigene Einkünfte verfügt. Daher wird dem Gläubiger ermöglicht, auf Antrag durch das Vollstreckungsgericht klarstellen zu lassen, dass ein unterhaltsberechtigter Angehöriger des Schuldners mit eigenem Einkommen bei der Berechnung des unpfändbaren Betrages des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise nicht zu berücksichtigen ist. Die Vorschrift ermöglicht somit eine Erweiterung des nach § 850c Abs. 1 bis 3 ZPO (an sich) unpfändbaren bzw. nicht abtretbaren Teils einer Forderung. Besteht schon keine konkrete gesetzliche Unterhaltsverpflichtung und ist daher der Ehegatte oder eine andere der genannten Personen bei Anwendung des § 850c Abs. 1 Satz 2 ZPO unberücksichtigt zu lassen, so fehlt es bereits an einem Regelungsgegenstand nach Abs. 4. Dies gilt insbesondere, wenn ein Kind des Schuldners seine Obliegenheit, eine Ausbildung planvoll und zielstrebig aufzunehmen und durchzuführen, verletzt hat. Es verwirkt damit seinen Unterhaltsanspruch. Da die Unterhaltspflicht für den Schuldner daher nicht mehr besteht, ist dieses Kind bei der Berechnung des unpfändbaren Betrages des Arbeitseinkommens des Schuldners unberücksichtigt zu lassen (AG Dresden, JurBüro 2014, 104). Lediglich wenn der Schuldner aufgrund gesetzlicher Verpflichtung seinem Ehegatten oder einer anderen der genannten Personen Unterhalt gewährt und damit nach Abs. 1 Satz 2 ZPO zu berücksichtigen ist, bedarf es einer den Vollstreckungsgerichten bzw. den Sozialgerichten originär übertragenen Entscheidung nach billigem Ermessen, ob gleichwohl diese Person bei der Berechnung des unpfändbaren Teils unberücksichtigt bleibt (BSG, BSGE 70, 37; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 21.1.2010, L 22 R 1557/06 – Juris).

Durch die Vorschrift kann der Gläubiger somit in den Genuss höherer pfändbarer Beträge gelangen. Entsprechend der Rechtsprechung des BSG (SGb 1994, 80, 82 mit insoweit zustimmender Anmerkung Ebsen; SGb 1994, 82, 84) ist die Regelung auf die Forderungsabtretung analog anzuwenden (einschränkend BAG, Vollstreckung effektiv 2009, 187: die Vereinbarung ist auszulegen).

 

Rz. 21

Die Regelung ist im Rahmen der Bonitätsprüfung einer Person, die eine Verpflichtungserklärung abgegeben hat im Bereich der Verwaltungsvollstreckung nicht zu berücksichtigen (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 25.1.2012, OVG 2 B 10.11 – Juris; OVG Berlin-Brandenburg, JurBüro 2010, 386).

Die Norm gilt auch im Insolvenzverfahren (BGH, ZInsO 2009, 2351 = FamRZ 2010, 123 = NZI 2010, 578). Einem Treuhänder/Insolvenzverwalter obliegt es jedoch grundsätzlich nicht, zu Lasten des Schuldners einen Antrag auf Herabsetzung des pfändungsfreien Betrages gem. § 850c Abs. 4 ZPO i. V. m. § 36 Abs. 4 InsO zu stellen (AG Köln, ZInsO 2013, 1275). Diese Ansicht verkennt allerdings, dass es eine wesentliche Aufgabe des Treuhänders/Insolvenzverwalters ist, im Sinne der Gläubigergemeinschaft die Insolvenzmasse zu vermehren, um dadurch die Insolvenzquote zu steig

9.1 Voraussetzungen

9.1.1 Gläubigerantrag

 

Rz. 22

Die (teilweise) Außerachtlassung einer unterhaltsberechtigten Person erfordert zwingend einen Antrag des Gläubigers. Fehlt ein solcher, werden unterhaltsberechtigte Angehörige bei der Ermittlung der abzuführenden Beträge bei der Anwendung der Lohnpfändungstabelle mitberücksichtigt. Dies gilt selbst dann, wenn das Einkommen des Mitverdieners das des Schuldners übersteigt (BGH, WM 2011, 2372 = ZInsO 2012, 30 = ZIP 2012, 95 = MDR 2012, 123 = NJW 2012, 393 = FamRZ 2012, 216 = ZVI 2012, 15 = Rpfleger 2012, 222. = NJW-Spezial 2012, 54–55 = Verbraucherinsolvenz aktuell 2012, 12 = Vollstreckung effektiv 2012, 39 = FoVo 2012, 114) oder berufstätige Lebenspartner gesamtschuldnerisch haften.

9.1.2 Zeitpunkt der Antragstellung

9.1.2.1 Gleichzeitige Antragstellung

 

Rz. 23

Verlangt der Gläubiger direkt mit dem Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses die (teilweise) Nichtberücksichtigung eines Unterhaltsberechtigten, so muss er dies im amtlichen Formular wegen gewöhnlicher Geldforderungen (im amtlichen Formular wegen gesetzlicher Unterhaltsforderungen gem. § 2 Nr. 2 ZVFV gibt es keine Möglichkeit zur Antragstellung nach § 850c Abs. 6 ZPO) auf Seite 1 beantragen. Auf Seite 7 des amtlichen Formulars muss der Gläubiger zusätzlich genauere Angaben zu der vom Vollstreckungsgericht vorzunehmenden Anordnung darüber machen

  • welche und ob die Person(en) ganz oder teilweise unberücksichtigt bleiben soll,
  • welche ungefähre Höhe das eigene Einkommen der Person(en) hat,
  • welcher Art das eigene Einkommen der Person(en) ist.

Soweit derzeit noch im amtlichen Formular zum Antrag auf Erlass eines PfÜB wegen gewöhnlicher Geldforderungen gemäß § 2 Nr. 1 ZVFV auf § 850c Abs. 4 ZPO verwiesen wird, muss das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats das amtliche Formular entsprechend ändern. Soweit dies nicht geschehen ist, ist der Gläubiger berechtigt im Formular Streichungen, Berichtigungen b...

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