Mit der zunehmenden Digitalisierung verändern sich die Anforderungen an Beschäftigte gravierend. Die Anzahl der Tätigkeiten, bei denen kognitive, informatorische sowie emotionale Faktoren dominieren, steigt stetig. Somit findet in vielen Berufen eine Verschiebung von vormals physischen zu überwiegend psychischen Anforderungen statt. Hinzu kommen tätigkeitsübergreifende Entwicklungen, wie Entgrenzung, Verdichtung, Flexibilisierung und mobiles Arbeiten.[1]"Obgleich die Ursachen vor allem im Zusammenspiel von persönlichen Ressourcen und sich verändernden Arbeitsbedingungen zu suchen sind, zeigt sich doch, dass parallel zum fortschreitenden Wandel der Arbeitswelt die psychischen Erkrankungen in den letzten Jahren stark zugenommen haben".[2] Gesunde Führung im digitalen Zeitalter bedeutet v. a., die Herausforderungen der Arbeit 4.0 zu bewältigen. Aus Beschreibungen zur Arbeitswelt 4.0 ergeben sich 3 zentrale Themen, welche im Rahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes betrachtet werden müssen:[3]

  1. Kontrolltätigkeiten am Bildschirm,
  2. Mensch-Roboter-Interaktion und
  3. Überwachung der individuellen Arbeitsleistung.

Damit verbunden sollten auch Führungskräfte einen Blick darauf haben, welche Risiken, z. B. steigende Komplexität von Arbeitsprozessen (vgl. Abschn. 2), mit der Digitalisierung einhergehen können. Wenngleich in diesem Artikel hauptsächlich psychische Belastungen aufgezeigt wurden, so dürfen die physischen Belastungen nicht unberücksichtigt bleiben. Dies bedeutet, dass physische und psychische Belastungen gleichermaßen erhoben werden müssen, um zu prüfen, ob die Belegschaft Risiken ausgesetzt ist. Gerade durch die Gefährdungsbeurteilung kann dann eine gesundheitsgerechte Gestaltung der Arbeit gelingen.

Da Führungskräfte einer Fürsorgepflicht unterliegen, nehmen sie im Arbeits- und Gesundheitsschutz, v. a. aber im BGM eine Schlüsselrolle ein. Sie bestimmen, was zu tun ist, treffen Entscheidungen, sind Vorbilder und können motivieren.

 
Praxis-Tipp

Gefährdungsbeurteilung

Der Einbezug von Führungskräften ist gerade bei der Gefährdungsbeurteilung sinnvoll,

  • damit sie einen Überblick zu vorliegenden Belastungen erhalten,
  • dafür Verständnis entwickeln sowie
  • bei der Entscheidung über Maßnahmen und deren Umsetzung mitwirken können.

Durch die veränderten Arbeitsformen ergibt sich v. a. die Möglichkeit des mobilen Arbeitens sowie der klassischen Telearbeit. Auch wenn gerade Letzteres von knapp 80 % der Erwerbstätigen (Umfrage Hans-Böckler-Stiftung im Juni 2020) mit einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie bewertet wird, geben gleichzeitig 60 % an, dass es zu einem Verschwimmen der Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit führt.[4] Da sog. "mobile Worker", also ortsungebundene Beschäftigte, oftmals dazu neigen, weniger Pausen zu machen und häufig die Kontrolle über die Arbeitszeit zu verlieren, sollten Führungskräfte permanent einen Blick darauf haben. Dahingehend obliegt es auch der Führungskraft, die Mitarbeiter auf die (emotionale) Fähigkeit zur Selbstdistanzierung hinzuweisen und Überforderung zu vermeiden. Zudem ist der Workload zu berücksichtigen.

[1] Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) (Hrsg.): Arbeit weiter denken – Weissbuch Arbeiten 4.0, Berlin 2016, S. 135.
[2] Böhm (2016): zitiert nach Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) (Hrsg.): Arbeit weiter denken – Weissbuch Arbeiten 4.0, Berlin 2016, S. 136.
[3] Diebig/Müller/Angerer (2017): Psychische Belastungen in der Industrie 4.0. Eine selektive Literaturübersicht zu (neuartigen) Belastungsbereichen, ASU Zeitschrift für medizinische Prävention (52), S. 832–839.
[4] Hans-Böckler-Stiftung (7. 10.2020): Digitalisierung – Die Arbeit der Zukunft gestalten. Böckler Impuls (15), Zugriff am 20.3.2023, verfügbar unter: https://www.boeckler.de/pdf/impuls_2020_15_gesamt.pdf.

8.1 Führungsprogramme

Führungskräfte müssen selbst darauf achten, leistungsfähig zu bleiben, um mit den physischen und psychischen Belastungen umgehen zu können. Dabei spielt eine gesunde Selbstführung eine enorm große Rolle. Im Rahmen des BGM sollten Führungskräfte lernen, wie sie ihre individuellen Ressourcen aufbauen und stärken können, um resilienter zu werden. Eine gesunde Selbstführung von Führungskräften und die damit verknüpfte Vorbildwirkung weisen positive Zusammenhänge mit der Gesundheit der Beschäftigten auf. In einer Studie wird deutlich, dass, "wenn Beschäftigte ihre Führungskraft als Vorbild für Gesundheit wahrnehmen, sie vier Monate später ein fast vierfach geringeres Stresserleben und halb so viele psychosomatische Beschwerden haben verglichen mit Beschäftigten, die ihre Führungskraft nicht als Vorbild sehen".[1]

Das bedeutet wiederum, dass Führungskräfte ihre Mitarbeiter zu einem gesundheitsförderlichen Verhalten sowie der Inanspruchnahme von BGM-Maßnahmen motivieren sollten. Auch den Umgang mit beispielsweise psychisch belasteten oder erkrankten Mitarbeitern sollten Führungskräfte erlernen und Warnsignale erkennen können.

Im Rahmen des BGM sollten sowohl verhaltensbezogene als auch verhältn...

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