Rz. 259

Der Gesetzgeber änderte den § 9 Abs. 6 EStG zum Vz 2015 (Rz. 254). Während § 9 Abs. 6 a. F. EStG nahezu gleichlautend (positiv formuliert) als § 9 Abs. 6 S. 1 EStG n. F. erhalten blieb, ergibt sich aus dem neu eingefügten § 9 Abs. 6 S. 2-5 EStG erstmals die gesetzliche Definition der "Berufsausbildung als Erstausbildung".[1]

 

Rz. 260

Nach § 9 Abs. 6 S. 2 EStG liegt eine Berufsausbildung als Erstausbildung vor, wenn eine geordnete Ausbildung mit einer Mindestdauer von 12 Monaten bei vollzeitiger Ausbildung und mit einer Abschlussprüfung durchgeführt wird. Eine Berufsausbildung ist geordnet, wenn sie nach § 9 Abs. 6 S. 3 EStG auf der Grundlage von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften oder interner Vorschriften eines Bildungsträgers durchgeführt wird. Inhaltlich muss die Ausbildung geeignet und darauf gerichtet sein, die zur Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit erforderlichen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse zu vermitteln. Es müssen daher die Ausbildungsziele definiert, der Beginn und der Abschluss der Ausbildung festgelegt und schließlich die Ausbildung orientiert an einem feststehenden Lehrplan erfolgen. Gemeint sind hier staatlich anerkannte oder geregelte Berufsausbildungen, oder solche, die nach Richtlinien der Berufs- oder Wirtschaftsverbände bzw. nach internen Vorschriften von Bildungsträgern geordnet sind.[2] Weiterhin muss eine Berufsausbildung abgeschlossen sein, damit sie als erstmalige Berufsausbildung anerkannt werden kann. Ein Abschluss kann dabei durch Abschlussprüfung oder mittels planmäßiger Beendigung erfolgen, wenn eine Abschlussprüfung nach dem Ausbildungsplan nicht vorgesehen ist (§ 9 Abs. 6 S. 4 EStG). Eine abgebrochene Berufsausbildung ist damit keine abgeschlossene Berufsausbildung.

Es muss eine Berufsausbildung als Erstausbildung zudem für eine gewisse Dauer angelegt sein. Die Neuregelung bestimmt hier, sofern in Vollzeit durchgeführt, einen Zeitraum von mindestens 12 Monaten. "Vollzeit" heißt in diesem Zusammenhang eine Dauer von durchschnittlich mindestens 20 Stunden wöchentlich. Berufsvorbereitende Maßnahmen oder Ausbildungen, die die gesetzliche Mindestausbildungsdauer von 12 Monaten unterschreiten, sind nach der Intention der vorliegenden Änderung keine Erstausbildung, weil sie nicht auf eine hinreichend qualifizierte berufliche Tätigkeit vorbereiten. Diese kurzen Ausbildungen erfolgen zwar auch oft auf der Grundlage von Rechts- und Verwaltungsvorschriften; es werden aber nur begrenzte berufliche Fähigkeiten für einfache Tätigkeiten erworben. Die Regelung geht bei diesen kurzen Ausbildungen typisierend davon aus, dass die auf eine solche Ausbildung folgende Berufsausbildung keine "Zweitausbildung" ist, für die ein Werbungskostenabzug gewährt werden kann. Dies gilt nicht in Fällen eines Ausbildungsdienstverhältnisses und auch nicht in Fällen, in denen der Stpfl. an einer berufsbezogenen Ausbildung teilnimmt, aus der ihn eine – aus einer arbeitsrechtlichen Bindung vergleichbare – Pflicht zur Teilnahme an allen Ausbildungsmaßnahmen trifft.

 

Rz. 261

Keine erste Berufsausbildung i. S. d. Regelung sind ein Kurs zur Berufsorientierung oder -vorbereitung, Kurse zur Erlangung der Fahrerlaubnis für Nutzfahrzeuge oder der Berechtigung zum Fahren von Flurförderfahrzeugen (Gabelstapler), ein Betriebspraktikum, eine Maßnahme zur Vermittlung einfachster Berufstätigkeiten (Anlerntätigkeiten, kurzfristige Einweisungen) oder die Grundausbildung bei der Bundeswehr.[3] Auch der Abschluss mehrerer unabhängiger Kurse ist keine erste Berufsausbildung; dies gilt auch dann, wenn die Kurse inhaltlich aufeinander aufbauen.

 

Rz. 262

§ 9 Abs. 6 S. 5 EStG schafft für bestimmte Fälle einen Auffangtatbestand zur Erfüllung der Kriterien einer Erstausbildung. In diesen Fällen liegt eine Erstausbildung auch vor, wenn der Stpfl. den formalen Berufsabschluss einer durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften geregelten Berufsausbildung mit einer Mindestdauer von 18 Monaten erlangt, nachdem er zur Prüfung zugelassen wurde, ohne die entsprechende Berufsausbildung durchlaufen zu haben. Damit werden insbesondere Stpfl., die nach § 45 Abs. 2 BBiG, § 7 Abs. 2 HwO oder entsprechenden landesrechtlichen Regelungen als "Externe" zur Abschluss-/Gesellenprüfung zugelassen werden, diese bestehen und mit diesem Schritt ihre berufliche Perspektive verbessern konnten, auch für steuerliche Zwecke genauso behandelt, als hätten sie zuvor die entsprechende Berufsausbildung durchlaufen. Dies ist gerechtfertigt, da die Zulassung zur Abschlussprüfung regelmäßig eine längere berufspraktische Tätigkeit voraussetzt, in der die erforderlichen Kenntnisse, Fertigkeiten und Befähigungen erworben wurden.

 

Rz. 263

Ein Studium i. S. d. § 9 Abs. 6 EStG liegt vor, wenn es sich um ein Studium an einer Hochschule i.  S.  d. § 1 Hochschulrahmengesetz (HRG) handelt. Hierzu gehören Universitäten, Pädagogische Hochschulen, Kunst-, Fachhochschulen und sonstige Einrichtungen des Bildungswesens, die nach Landesrecht staatliche Hochschulen sin...

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