Rz. 255

Der Gesetzgeber reagierte mit der Normierung eines Abzugsverbots in § 9 Abs. 6 EStG (in § 4 Abs. 9 EStG für Betriebsausgaben) auf die Rspr. zu § 12 Nr. 5 EStG.[1] Der BFH hatte entschieden, dass Berufsausbildungskosten vorweggenommene Werbungskosten i. S. d. § 9 Abs. 1 S. 1 EStG sein können, sofern ein hinreichender Veranlassungszusammenhang zwischen Aufwand und späterer Einnahmeerzielung besteht. Denn § 9 EStG enthält keine Sonderregelung für solche Kosten. Der dafür gewährte Sonderausgabenabzug steht dem nicht entgegen. Der Werbungskostenabzug ist, so der Einleitungssatz zu § 10 EStG, gegenüber dem Abzug der Aufwendungen als Sonderausgaben vorrangig. Dieser Vorrang blieb auch durch § 12 Nr. 5 EStG unberührt. Diesen Vorrang des Werbungskostenabzugs sah der BFH auch für Kosten einer erstmaligen Berufsausbildung und für ein Erststudium. Denn § 12 Nr. 5 EStG schloß nicht per se und ausnahmslos Aufwendungen des Stpfl. für seine erstmalige Berufsausbildung und für ein Erststudium vom Abzug aus. Sie sind, so der Einleitungssatz zu § 12 EStG a. F., vielmehr nur insoweit weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen, als "in § 10 Abs. 1 Nrn. 1, 2, 4, 6, 7 und 9, § 10a, §§ 33ff. EStG nichts anderes bestimmt ist". § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG bestimmte jedoch etwas anderes: Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung sind als Sonderausgaben abziehbar, wenn sie weder Werbungskosten noch Betriebsausgaben sind. § 12 Nr. 5 EStG a. F. stand damit unter dem Vorbehalt des vorrangigen Sonderausgabenabzugs, der wiederum unter dem Vorbehalt stand, dass die Aufwendungen nicht Werbungskosten oder Betriebsausgaben waren. Damit blieb ein Werbungskostenabzug für Aufwendungen für die erstmalige eigene Berufsausbildung möglich, sofern ein hinreichend konkreter Veranlassungszusammenhang zwischen den Aufwendungen und der späteren, auf Einkünfteerzielung gerichteten Berufstätigkeit bestand.

 

Rz. 256

Mit § 9 Abs. 6 EStG wird klargestellt, dass Berufsausbildungskosten für eine erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium, das zugleich eine Erstausbildung vermittelt, vom Werbungskostenabzug ausgeschlossen sind und damit nur im Rahmen des Sonderausgabenabzugs nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG berücksichtigt werden können, wenn diese Berufsausbildung oder dieses Erststudium nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet. Mit diesem Abzugsverbot wird nun die typisierende Grundentscheidung des Gesetzgebers verdeutlicht, dass die erste Berufsausbildung und das Erststudium als Erstausbildung der privaten Lebensführung zuzuordnen sind. Diese Grundentscheidung folgt auch den Grundsätzen des Sozialrechts, in dem diese Ausbildungsbereiche der Bildungsförderung und nicht der Arbeitsförderung unterliegen.[2] Der Abzug von Berufsausbildungskosten wird im Bereich der Sonderausgaben geregelt. Der Gesetzgeber begründet seine Grundentscheidung damit, dass der konkrete Veranlassungszusammenhang zwischen Erstausbildung oder Erststudium und späterer Berufstätigkeit typischerweise nicht hinreichend konkret ist, sodass es aus seiner Sicht erforderlich und zulässig ist, diesen Bereich nicht im Rahmen der Einkünfteermittlung zu regeln.[3] Die Begründung des Gesetzgebers ist umstritten. Es stellt sich insbesondere die Frage, ob der Gesetzgeber grundsätzlich Ausbildungskosten, die zwangsläufig entstehen, um später stpfl. Einnahmen erzielen zu können, vom Werbungskostenabzug ausschließen kann.

Die Frage der Rechtmäßigkeit der Rückwirkung dieses Abzugsverbots ab dem Vz 2004 ist geklärt und bejaht worden.[4] Dabei wurde festgestellt, dass hier ein Fall der echten Rückwirkung vorliegt, Stpfl. jedoch kein hinreichend gefestigtes und damit schutzwürdiges Vertrauen dahingehend bilden konnten, dass auch Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung als Werbungskosten einkommensteuerrechtliche Berücksichtigung finden. Der BFH hält daher für die Rechtmäßigkeit der Rückwirkung den in der Rspr. des BVerfG u.  a. entwickelten Rechtfertigungsgrund der geänderten langjährigen höchstrichterlichen Rspr. bei einer noch nicht gefestigten neuen höchstrichterlichen Rspr. für einschlägig. Zur generellen Frage der Rechtmäßigkeit des Abzugsverbots sind Verfahren vor dem BVerfG anhängig.[5] Insbesondere bemängelt der 6. Senat des BFH, dass das Abzugsverbot gegen das in Art. 3 Abs. 1 GG normierte Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit verstößt. Denn Aufwendungen für die Ausbildung zu einem Beruf sind als notwendige Voraussetzung für eine nachfolgende Berufstätigkeit beruflich veranlasst und demgemäß auch als Werbungskosten einkommensteuerrechtlich zu berücksichtigen. Zudem stellen Berufsausbildungskosten keine beliebige Einkommensverwendung dar, sondern gehören zum zwangsläufigen und pflichtbestimmten Aufwand. Ein Sonderausgabenabzug bleibt schließlich bei Studenten und Auszubildenden wirkungslos, weil sie in den Ausbildungszeiträumen typischerweise keine eigenen Einkünfte erzielen. Er geht ins Leere, weil im Gegens...

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