2.1 Allgemeines

2.1.1 Zweck der Vorschrift

 

Rz. 13

§ 50d Abs. 3 EStG soll sicherstellen, dass "funktionslosen" oder "funktionsschwachen" Gesellschaften die Entlastung von den Abzugsteuern, die ihnen nach dem Wortlaut eines DBA zusteht, nicht gewährt werden muss. Aufgrund von Verweisungen ist die Regelung auch auf die Entlastung nach der Mutter-Tochter-Richtlinie, der Zins- und Lizenzrichtlinie sowie nach § 44a Abs. 9 EStG entsprechend anwendbar (Rz. 42). Im Folgenden wird daher nicht zwischen den verschiedenen Entlastungstatbeständen unterschieden, soweit sich keine unterschiedlichen Voraussetzungen oder Rechtsfolgen ergeben.

 

Rz. 14

Solche zwischengeschalteten Gesellschaften werden als "Durchleitungsgesellschaften" bezeichnet. Es soll ausgeschlossen werden, dass ein nach einem DBA oder, aufgrund von Verweisungen, einer EU-Richtlinie nicht entlastungsberechtigter Stpfl. eine Kapitalgesellschaft zwischen sich und den Schuldner der Dividenden oder Vergütungen in einem Staat schaltet, der für die Anwendung eines DBA oder einer EU-Richtlinie qualifiziert ist, und sich dadurch die Entlastungsberechtigung verschafft, die ihm bei unmittelbarem Bezug nicht zustünde ("Treaty Shopping" bzw. "Directive Shopping"). Es handelt sich also um eine spezielle Vorschrift zur Verhinderung missbräuchlicher Gestaltungen. Die Zwischenschaltung einer funktionslosen oder funktionsschwachen Gesellschaft aus steuerlichen Gründen, um eine Entlastung von der Abzugsteuer zu erreichen, ist grundsätzlich ein Missbrauch (§ 42 AO). Durch die Vorschrift soll auch Art. 6 ATAD umgesetzt werden. Diese Norm zielt zwar nicht ausdrücklich auf Durchleitungsgesellschaften, sondern ist eine allgemeine Vorschrift zur Verhinderung von Missbräuchen. Sie entspricht daher § 42 AO. Der Gesetzgeber hat es aber aus Gründen der Rechtssicherheit für zweckmäßig gehalten, für die Entlastung von der KapESt und der Abzugsteuer nach § 50a EStG den Tatbestand des Missbrauchs in einer besonderen Vorschrift näher zu bestimmen.[1] Das Gesetz dient dazu, den Begriff "funktionslos" und damit die Durchleitungsgesellschaft näher zu definieren. Im Folgenden wird daher eine Gesellschaft, die einen der Tatbestand des § 50d Abs. 3 EStG erfüllt, als funktionslos bezeichnet.

 

Rz. 15

§ 50d Abs. 3 EStG ist eine Konkretisierung des allgemeinen Tatbestands zur Verhinderung eines Missbrauchs in § 42 AO. Es handelt sich aber nicht um ein lex specialis im strengen Sinne, sodass § 50d Abs. 3 EStG die allgemeine Regelung des § 42 AO nicht verdrängt. Vielmehr bestimmt § 50d Abs. 3 S. 3 EStG ausdrücklich, dass § 42 AO neben § 50d Abs. 3 EStG anwendbar bleibt; hierzu Rz. 111. § 50d Abs. 3 EStG enthält also keine abschließende und andere Vorschriften verdrängende Regelung für Durchleitungsgesellschaften.[2]

 

Rz. 16

§ 50d Abs. 3 EStG behandelt den Fall, dass beschr. stpfl. Einkünfte in der Bundesrepublik grundsätzlich dem Quellensteuerabzug unterlegen haben und dass nach DBA oder auf EU-Recht beruhenden Vorschriften bestimmten Personen eine völlige oder teilweise Entlastung (Freistellung oder Erstattung) von der Abzugsteuer zusteht. Gehört der Empfänger der Dividende oder Vergütung nicht zu diesem Personenkreis, steht ihm also die Entlastungsberechtigung nicht zu, kann er sich diese auf folgende Weise verschaffen:

  • Soweit es sich um eine natürliche Person handelt, die Entlastungsberechtigung aber nur Körperschaften zusteht (§ 43b EStG, § 50g EStG; Reduzierung der KapESt bei internationalem Schachtelprivileg nach DBA), kann er zwischen sich und den Leistenden eine Körperschaft schalten.
  • Soweit die Entlastungsberechtigung nur einer nicht im Inland ansässigen Person zusteht, der Berechtigte jedoch im Inland ansässig ist, kann er zwischen sich und den Leistenden eine im Ausland ansässige Körperschaft schalten.
  • Soweit die Entlastung nur in einem bestimmten DBA vereinbart ist, der Stpfl. aber nicht in diesem Staat ansässig ist, kann er eine Körperschaft, die in diesem Staat ansässig und daher abkommensberechtigt ist, zwischen sich und den Leistenden schalten ("Treaty Shopping"; Erschleichen der Abkommensberechtigung).
  • Soweit die Entlastungsberechtigung aufgrund einer EU-Richtlinie nur dem in einem EU-Staat ansässigen Stpfl. zusteht, der Stpfl. aber in einem Drittstaat ansässig ist, kann er eine Körperschaft, die in einem EU-Staat ansässig und daher richtlinienberechtigt ist, zwischen sich und den Leistenden schalten ("Directive Shopping"; Erschleichen der Richtlinienberechtigung).
  • Soweit die Entlastungsberechtigung von einer Mindestbeteiligung abhängig ist, der Stpfl. diese Voraussetzung aber nicht erfüllt, kann er seine Beteiligung in eine Körperschaft einlegen, die selbst oder durch Einlage anderer Gesellschafter weitere Anteile besitzt und damit die Mindestbeteiligung erreicht oder überschreitet.

Es können auch mehrere der beschriebenen Maßnahmen kombiniert werden.

[1] BR-Drs. 50/21, 60.
[2] BT-Drs. 50/21, 60.

2.1.2 Rechtsentwicklung

2.1.2.1 Rechtsentwicklung bis zur Neufassung durch G. v. 13.12.2006

 

Rz. 17

Die Vorgängervorschrift des jetzigen § 50d Abs. 3 EStG wurde durch G. v. 21.12.1993[1] als Abs. 1a in § 50d EStG eingefügt. Die Vorschr...

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