4.1 Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich

 

Rz. 14

Die Tarifvergünstigungen nach § 34 EStG können nur von natürlichen Personen, nicht aber von der KSt unterliegenden juristischen Personen in Anspruch genommen werden. Denn sie setzen eine progressive Einkommensbesteuerung voraus. Beschränkt ESt-Pflichtige konnten die Tarifermäßigungen zunächst nur für Gewinne aus der Veräußerung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs (§ 14 EStG), eines Gewerbebetriebs (§ 16 EStG), einer freiberuflichen Praxis (§ 18 Abs. 3 EStG)[1] oder von Anteilen hieran beantragen. Durch G. v. 20.12.2007[2] wurde die Einschränkung auf Veräußerungsgewinne gestrichen und der gesamte § 34 EStG bei der beschr. Steuerpflicht für anwendbar erklärt, und zwar nicht nur für Staatsangehörige der EU und des EWR, sondern für alle beschr. Stpfl. (§ 50 EStG Rz. 81). Eheleute können jeder für sich bis zur Begünstigungsgrenze den ermäßigten Steuersatz in Anspruch nehmen.[3]

 

Rz. 15

Die Tarifermäßigung setzt voraus, dass der Stpfl. selbst den Tatbestand des § 34 EStG verwirklicht. Daher steht die Steuervergünstigung nicht einem Organträger in der Rechtsform einer Personengesellschaft für den von der Organgesellschaft abgeführten Gewinn aus einer Veräußerung i. S. v. § 16 EStG zu. Denn dem Organträger wird nur das Einkommen der Organgesellschaft zugerechnet, ohne dass die steuerliche Rechtsstellung des Organs insgesamt auf den Organträger übergeht.[4]

 

Rz. 15a

Erben können die Tarifvergünstigung des § 34 EStG auf Veräußerungsgewinne in Anspruch nehmen, die noch aus der Tätigkeit des Erblassers stammen. Dann werden ihnen die persönlichen Eigenschaften des Erblassers zugerechnet. Das gilt sowohl für Veräußerungs- als auch für Liquidationsgewinne, sofern sie den Betrieb nicht fortführen, sondern sich dessen alsbald entäußern.[5]

 

Rz. 16

Ausländische außerordentliche Einkünfte i. S. v. § 34 Abs. 2 EStG wurden nach § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG a. F. bis Vz 2000 vom Progressionsvorbehalt ausgenommen.[6] Seit Vz 2001 sind außerordentliche Einkünfte mit einem Fünftel zu berücksichtigen.[7]

 

Rz. 17

Ein Stpfl. kann die Tarifermäßigung aufgrund der Fünftel-Regelung nach § 34 Abs. 1 EStG in jedem Vz aufs Neue in Anspruch nehmen. Sie ist nicht personen- oder betriebsbezogen. Dadurch unterscheidet sich die Tarifermäßigung von dem Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG und dem ermäßigten Steuersatz nach § 34 Abs. 3 EStG; die letzteren beiden Steuervergünstigungen kann sich ein Stpfl. nur einmal in seinem Leben gewähren lassen. Um die Fünftel-Vergünstigung nach § 34 Abs. 1 EStG zu vervielfachen, kann sich eine schrittweise Betriebsveräußerung nach Bildung von Teilbetrieben oder eine bruchteilsweise Anteilsveräußerung empfehlen.

 

Rz. 18

Über die Tarifvergünstigung des § 34 EStG entscheidet grundsätzlich das Wohnsitz-FA im Rahmen der ESt-Veranlagung auf Antrag des Stpfl. Fallen bei einer Personengesellschaft außerordentliche Einkünfte i. S. v. § 34 Abs. 2 EStG an, so entscheidet vorab das Betriebsstätten-FA in seiner einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung, ob und in welcher Höhe außerordentliche Einkünfte vorliegen und wie sie auf die einzelnen Mitunternehmer zu verteilen sind.[8] Im Lohnsteuerrecht findet sich eine Fünftel-Regelung für sonstige Bezüge in § 39b Abs. 3 S. 9 EStG. Diese ist aber nur dann anzuwenden, wenn sie günstiger ist als die Besteuerung sonstiger Bezüge.[9]

 

Rz. 18a

Die Tarifermäßigungen nach § 34 Abs. 1 und 3 EStG sind nebeneinander anwendbar. Das Nebeneinander beeinflusst wechselseitig den Steuersatz. Steuerberechnungen finden sich in H 34.2 EStH 21.

[1] FM Schleswig-Holstein v. 15.6.2020, VI 307 – S 2249 – 007: Steuervergünstigung nach § 18 Abs. 3 i. V. m. § 34 EStG bei Praxisveräußerung unter Fortführung der freiberuflichen Tätigkeit in geringem Umfang.
[2] BStBl I 2008, 218.
[3] Wacker, in Schmidt, EStG, 2022, § 34 EStG Rz. 4.
[5] Wacker, in Schmidt, EStG, 2022, § 34 EStG Rz. 4.
[7] § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG i. d. F. des Steuersenkungsgesetzes v. 23.10.2000, BStBl I 2000, 1428.

4.2 Zeitlicher Anwendungsbereich

 

Rz. 19

§ 34 Abs. 1 S. 1 i. d. F. des StEntlG 1999/2000/2002 ist nach § 52 Abs. 47 S. 1 EStG a. F. erstmals für Vz 1999 anzuwenden. Maßgeblich für den zeitlichen Anwendungsbereich ist der Zeitpunkt, zu dem die außerordentlichen Einkünfte bezogen worden sind. Dieser Zeitpunkt richtet sich nach den allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Grundsätzen zur Erfassung von Einkünften. Danach ist bei gewerblichen Veräußerungsgewinnen das Kj. ihrer Realisierung maßgeblich, bei Überschusseinkünften das Kj. des Zuflusses i. S. v. § 11 Abs. 1 EStG. Veräußerungsgewinne von Land- und Forstwirten i. S. v. § 14 EStG sind nach § 4a Abs. 2 Nr. 1 S. 2 EStG dem Gewinn desjenigen Kj. zuzurechnen, in dem sie entstanden sind. Bei Gewerbetreibenden mit abweichendem Wirtschaftsjahr ist der Gewinn nach § 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG in dem Kj. bezoge...

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